Distant Profiling – Wissen, wie Ihr Verhandlungsgegner funktioniert
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Sind Sie eher der dominante, wachsame oder selbstbezogene Typ? Und wie verhält es sich mit Ihrem Verhandlungsgegenüber? Ist er manipulativ, gewissenhaft oder gar ein Psychopath? Die Fähigkeit, Menschen zu entschlüsseln, ist grundsätzlich erfolgskritisch. Auch wenn Persönlichkeitsprofiling, oder ohne direkten Zugriff auf das Verhandlungsgegenüber auch „Distant Profiling“ genannt, vor allem aus dem US-amerikanischen Kriminalumfeld bekannt ist, sind die Werkzeuge auch extrem hilfreich, sich auf schwierige Verhandlungsgegner perfekt vorzubereiten. Denn wer sein Gegenüber kennt, kann den Verlauf der Verhandlung positiv beeinflussen.
Distant Profiling ist aber nicht nur in Extremsituationen nützlich, wie z.B in einem Erpressungsfall, wenn mit einem Täter verhandelt wird, der damit droht, vergiftete Produkte in die Supermärkte zu bringen, sollte er nicht die gewünschte Geldsumme erhalten. Oder in einem Entführungsfall in dem gedroht wird, eine Geisel zu exekutieren. In solchen Fällen ist zu entscheiden, wie weit der Täter „nur“ droht oder seiner Drohung auch Handlungen folgen lässt. Hier kommen die psychologischen Werkzeuge der Persönlichkeitsanalyse aus der Ferne zum Einsatz.
Auch in politischen Verhandlungen werden diese Werkzeuge erfolgreich eingesetzt. Denn in komplexen Verhandlungssituationen ist es von Vorteil, den Verhandlungsgegner genau zu kennen. Das Profil des Verhandlungspartners zu entschlüsseln, um punktgenau mit ihm umzugehen, ist ein erfolgskritischer Bestandteil jeder Verhandlung. Traditionell besteht hierbei die psychologische Methodik zur klaren Bestimmung der Persönlichkeit in der Anwendung psychologischer Tests und in klinischen Gesprächen, die mit der zu beurteilenden Person geführt werden. Bei der Persönlichkeitsanalyse ohne direkten Zugriff auf das Verhandlungsgegenüber (Distant Profiling) kommen andere vielfach bewährte Werkzeuge zum Einsatz, um den „Faktor Mensch“ in Verhandlungen zu nutzen.
Ursprung in den USA der 1970er Jahre
Tatsächlich wurde das Distant Profiling ursprünglich entwickelt, um Verbrecher und politische Akteure psychologisch einzuschätzen. In den USA gründete das CIA in den 1970er Jahren eine spezielle Expertengruppe aus Psychiatern und Psychologen, die durch die Erstellung von Persönlichkeitsprofilen das Verhalten ausländischer Politiker und Terroristen berechnen sollten. Dies war insbesondere für die Ausarbeitung von Verhandlungstaktiken, oder der Einschätzung politischer Auseinandersetzungen unabdingbar.
Ein Meilenstein in der Geschichte des Distant Profiling bildeten die Camp-David-Verhandlungen im Jahr 1978. Der damalige US-Präsident Jimmy Carter hatte sich mit Israels Premierminister Menachem Begin und dem ägyptischen Präsidenten Anwar as-Sadat mehrere Tage auf dessen Erholungssitz zurückgezogen, um über Nahost Friedensvereinbarungen zu verhandeln. Carter wollte hierzu wissen: Wie könne die CIA ihm denn bei der Vorbereitung der Friedensverhandlungen zwischen Israel und Ägypten in Camp David helfen? Er wollte besonders die Charaktere der beiden Hauptakteure durchdringen, sagte er. Das Office of Central Reference (OCR) erstellte gemeinsam mit dem Center for the Analysis of Personality and Political Behaviour (CAPPB) die Persönlichkeitsprofile der beiden Akteure: Das Profil Sadats trug den wenig schmeichelhaften Titel „Sadats Nobelpreis-Komplex“ und betonte die zunehmende Beschäftigung des ägyptischen Regierungschefs mit seinem historischen Vermächtnis. Ihm wurde von den CIA-Profilern ein narzisstisch übersteigertes Selbstbild attestiert, das aus der Besessenheit Sadats von seiner eigenen Rolle in der Geschichte herrührte. Er neige dazu, ausschließlich die großen historischen Zusammenhänge zu sehen, Details verabscheue er. Er sehe sich selbst als großen Strategen und werde Zugeständnisse machen, wenn er davon überzeugt sei, dass seine langfristigen Ziele als relevante Person der Zeitgeschichte erreicht werden.
Er hatte folglich kein Interesse an Detailfragen, sondern war vielmehr an einem großen Durchbruch interessiert, um den Friedensnobelpreis zu erhalten und auf der politischen Weltbühne geehrt zu werden. Das Profil von Israels Premier Begin wies im Kontrast seine Fixierung auf Details und genaue Regelungen und sein grundsätzliches Misstrauen aus. Basierend auf den Profilen der beiden Politiker entwickelte das CIA nun eine Strategie für den Verhandlungsführer Carter, welche für unterschiedliche Verlaufsszenarien spezifische Taktiken vorsah.
Carter konnte in den Gesprächen schließlich einen neuen und erfolgreichen Ansatz entwickeln, indem er Israels Premierminister mitteilte, dass sein ägyptischer Verhandlungspartner befürchte, das große Ganze aus den Augen zu verlieren, falls man sich mit zu vielen Einzelfragen befasse. Begin bekräftigte daraufhin, dass auch er imstande sei, das große Ganze in den Blick zu nehmen und überließ die Klärung von Details den Unterhändlern der beiden Delegationen. Dies führte nach zwölf Verhandlungstagen tatsächlich zur Unterzeichnung eines Friedensvertrags – und zum Friedensnobelpreis für Sadat und Begin.
Auch in beruflichen Verhandlungssituationen effektiv
Auch abseits der weltpolitischen Bühne kann es zahlreiche Verhandlungssituationen geben, in denen Sie sich durch die frühzeitige Einschätzung eines Verhandlungspartners bereits vor der ersten persönlichen Begegnung einen strategischen Vorteil verschaffen können. Grundsätzlich bietet sich Distant Profiling immer an, wenn Sie keinen direkten Zugang auf Ihr Verhandlungsgegenüber haben. Auf der Grundlage psychologischen Wissens wird hierbei ein Profil der Zielperson erstellt, um deren Handlungen, Einstellungen, psychologische Charakteristika und Beeinflussbarkeit vorherzusagen. Nach der Erstellung des psychologischen Profils wird in einem zweiten Schritt eine spezifische Aktionsstrategie entwickelt werden, etwa um in Verhandlungen möglichst erfolgreich agieren zu können.
Um aus der Distanz eine sehr genaue und differenzierte Bewertung Ihres Verhandlungspartners vornehmen zu können, gilt es eine Vielzahl von Datenquellen abzuschöpfen. Jedes Profil ist nur so gut wie die Daten, auf denen es basiert. In Zeiten von Social Media ist es meist jedoch kein Problem an die entsprechenden Informationen zu gelangen und diese Aufgabe professionell durchzuführen. So wird zum Beispiel auf zugängliche soziale Profile, Websites, Bilder, kommerzielle Datenbanken und offene elektronische Informationssysteme zurückgegriffen, um das Profil zu erstellen. Als eine weitere Quelle lässt sich nahezu immer eine Person erschließen, die einmal näheren Kontakt mit der zu analysierenden Führungspersönlichkeit hatte und über die mit Hilfe elaborierter Fragetechniken psychologisch wichtige Informationen gewonnen werden können.
Mittels dieser Medien und Quellen lassen sich eine Vielzahl von Informationen zusammentragen und analysieren, um auf dieser Basis ein Persönlichkeitsprofil zu ermitteln und Handlungsaktionen darauf abzustimmen. Innerhalb des CfN (Center for Negotiation) nutzen wir hierzu eine wissenschaftliche Methodik aus der Kriminologie und psychologischen Interventionsplanung. Auf dieser Basis werden je nach Anforderungen, Zielstellung und Informationslage individuell Persönlichkeitsprofile für Ihr Verhandlungsgegenüber erstellt.
Folgende Dimensionen dienen hierbei der methodischen Erstellung:
- Auftreten: z.B. selbstbezogen, dominant, kontrolliert
- Motive: z.B. Status, Macht, Zugehörigkeit
- Psychobiographie: z.B. prägende Lebensereignisse, Erfolge und Misserfolge
- Einstellungen: z.B. Werte, Glaubenssätze
- Eigenschaften: z.B. Kontrolle, Soziabilität, Ambivalenz der Soziabilität
- Affekte: z.B. Aggression, Freude, Ängstlichkeit
- Kognition: z.B. Introspektion, Wahrnehmung, Informationsverarbeitung
- Verbalisierung: z.B. spezifische Wortfrequenz, Syntax, Sprachmuster
- Facial Display Rules: spezifischer Umgang mit mimischen Signalen wie z.B. Wut, Freude, Trauer
Das Profil des Verhandlungspartners zu entschlüsseln, um punktgenau mit ihm umzugehen, ist ein erfolgskritischer Bestandteil jeder Verhandlung. Auf Grundlage eines Distant Profiling-Profils können Verhaltensvorhersagen für unterschiedliche Szenarien kalkuliert und Beeinflussungsstrategien in Verhandlungen und Gesprächen erstellt werden. Es kann Ihnen außerdem dabei helfen, Ihren Gesprächspartner besser zu verstehen und zielgerichteter zu kommunizieren.
Mittlerweile wird Distant Profiling im Unternehmenskontext vielseitig eingesetzt. Es wird herangezogen, um Strategien und Verhaltensabsichten von Managern oder Führungspersonen des Mitbewerbers zu antizipieren oder aber, um im Falle von Angriffen auf das Unternehmen – etwa durch eine Klage – die Motive der betreffenden Personen zu erfassen und passende Gegenstrategien zu entwerfen.
Zusammenfassend: Distant Profiling kann in vielen entscheidenden geschäftlichen Situationen zum Erfolg führen. Die psychologischen Werkzeuge sind bewährt und erprobt. Auf deren Basis wird dann das weitere taktische Vorgehen festgelegt. Wenn man Menschen lesen kann, können Menschen auch leichter überzeugt und in Verhandlungen genauer gelenkt werden. In den Seminaren des Center for Negotiation können können Sie u.a. lernen, wie Sie Distant Profiling zur Vorbereitung für schwierige Verhandlungssituationen gezielt einsetzen können.
Quellen:
- Thorsten Hofmann (2018): Das FBI Prinzip. Ariston
- https://www.jimmycarterlibrary.gov/research/thirteen_days_after_twenty_five_years
- https://www.zeit.de/karriere/beruf/2015-07/peroenlichkeitstypen-profiling
- https://www.welt.de/geschichte/article121943577/Maulwurf-der-CIA-lauschte-ganz-nah-bei-Arafat.html
Fotos:
- Face: geralt, Pixabay | CC0 Public Domain
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