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Umgang mit Drohungen – 8 Tipps zum Umgang mit „aggressiven“ Verhandlungspartnern – Teil II

Umgang mit Drohungen – 8 Tipps zum Umgang mit „aggressiven“ Verhandlungspartnern – Teil II

Dass Drohungen Bestandteil vieler Verhandlungen sind, ist nicht ungewöhnlich. Dass wir nicht wissen, wie wir mit ihnen umgehen sollen, ist dagegen eher außergewöhnlich. Wie Sie einer Drohung professionell begegnen, damit aus ihr keine Bedrohung wird, war schon Bestandteil des ersten Teils dieses Beitrages.


Darin haben Sie erfahren, wie wichtig es ist, bei Drohungen in Verhandlungen

  1. nicht Ihre Amygdala hijacken zu lassen,
  2. die Bedrohung zu reduzieren,
  3. Verständnis zu zeigen, aber kein Zugeständnis zu machen sowie
  4. die Bedrohung genau zu analysieren

Um den Umgang mit Drohungen noch professioneller zu gestalten und die Bedrohung zu entschärfen, gibt es nun vier weitere Tipps:

5. Steuern Sie die Verhandlung auf sicheres Terrain

Eine von Ihrem Verhandlungsgegenüber „direkt“ ausgehende Bedrohung kann legitime Machtquellen oder wichtige Bedürfnisse und Zwänge vermitteln. Der spanische Schriftsteller José Bergamin sagte einmal: „Ein Ratschlag enthält immer eine implizite Bedrohung, genauso wie eine Bedrohung immer einen impliziten Ratschlag enthält.“ Ihre Aufgabe als Verhandlungsführer ist es, den impliziten Rat in einer „Drohung“ zu entdecken.

Stellen Sie sich vor, ein Auftragnehmer droht, Sie als Lieferanten wegen einer vorgeschlagenen Änderung des Liefertermins für Rohstoffe zu verklagen. Sie können versuchen, die Motivation für die Bedrohung herauszufinden, indem Sie z. B. fragen: „Weshalb könnte eine Klage für Sie eine bessere Option sein als die Fortsetzung unsere Gespräche?“ „Was könnten die Nachteile einer Klage sein im Vergleich zu dem Fortsetzen unserer Gespräche?“1 (Mehr zu Rhetorik bei Drohungen lernen Sie hier).

Wenn ihr Verhandlungsgegenüber offenbart, dass er erwartet, dass die Gerichte zu seinen Gunsten entscheiden, basiert seine Bedrohung auf seinem Gefühl der subjektiv empfundenen Macht. Wenn Sie sich schließlich nach der genauen Art der Klage erkundigen, die er einreichen möchte, können Sie feststellen, ob die Bedrohung Ihnen echten Schaden zufügen könnte, ob sie schon durchdacht ist oder ob es sich eher um einen Bluff handelt. Wenn ihr Gegenüber wiederum sagt, dass Ihre Verzögerungen sein Unternehmen Bankrott machen könnten, können Sie über eine realistische Einschränkung verhandeln.

Fragen Sie sich durch seine Drohung hindurch. Sie lenken damit auch das Gespräch von der Drohung weg und finden zusätzliche Informationen zu den dahinterliegenden Interessen, Motiven und Bedürfnissen. Fragen bringt vieles an die Oberfläche. Nutzen Sie unterschiedliche Fragetaktiken wie zirkuläre Fragen, Alternativfragen, Visionsfragen oder Frageformen wie PASCAL oder FOCA2 (mehr zu flexiblen rhetorischen Fragetechniken finden Sie hier).

Das Ziel hierbei ist immer, die subjektive Macht oder die tatsächlichen Einschränkungen des Gegenübers zu bestimmen, die hinter der eigentlichen Drohung Ihres Gegenübers stehen. Und wie schon im letzten Beitrag erwähnt, kann die Bedrohung auch lediglich Ausdruck der Absicht sein, Ihre Abhängigkeit von dem Deal zu testen.

6. Labeln Sie die Verhandlungsbedrohung

Wenn sich herauskristallisiert, dass eine Bedrohung nichts anderes als ein taktischer Ansatz ist, um Sie einzuschüchtern, sollte Ihr Ansatz ein anderer sein. Stellen Sie bei der Analyse fest, dass Ihr Gegenüber versucht, Sie zu bluffen, erklären Sie, dass Sie sich für diese Art der Verhandlung nicht interessieren. Sie könnten einem „Bluffer“ sagen: „Ich nehme diese Aussage als Drohung war. Tatsächlich halte ich Drohungen nicht für sehr produktiv. Lassen Sie uns gemeinsam darüber nachdenken, um eine tragfähige Lösung zu finden.“

Das Kennzeichnen – der Fachbegriff ist „labeln“ – einer Bedrohung neutralisiert negative Absichten und stärkt Ihr Kontrollgefühl. Tatsächlich zeigen umfassende Untersuchungen von Anne L. Lytle, Jeanne M. Brett und Debra L. Shapiro,3 dass die Prozesskennzeichnung – welche die Aufmerksamkeit auf das Geschehen lenkt – der effektivste Weg ist, um eine durch eine Drohung getrübte Verhandlung wieder in Gang zu bringen. Wenn Sie die Situation kennzeichnen, erhält Ihr Gegenüber dieselbe Distanz, die Sie durch die Bedrohungsdiagnose erreicht haben.

7. Nehmen Sie den zeitlichen Druck raus

Diese Abhängigkeit realisiert Ihr Gegenüber aber manchmal nicht oder er weiß es, und zeigt es Ihnen Manchmal gibt es einfache Gründe für eine Drohung, die trotzdem nicht immer auf den Tisch kommen. Zeitdruck kann den Verhandlungsführer der Gegenseite veranlassen, zu einem Deal „Nein“ zu sagen oder zu drohen, obwohl es besser für ihn wäre, ja zu sagen. Deshalb stellen Sie sicher, dass alle Vertragsparteien ausreichend Zeit haben, alle Entwürfe, Vorschläge und Verträge zu prüfen. Wenn Sie eine Pause einlegen, haben alle Zeit dafür. Wenn Sie selbst eine Pause benötigen, nehmen Sie sich diese.

8. Seien Sie bereit zu gehen

Trotz aller Bemühungen reagiert Ihr Gegenüber manchmal nur auf eine klare Linie. Geben Sie in diesem Fall ein „Walk-Away“ aus, um Ihre Glaubwürdigkeit zu stärken und konzentrieren Sie sich dann sofort darauf, die Interessen des jeweils anderen zu identifizieren, um eine festgefahrene Situation zu verhindern. Lytle, Brett und Shapiro4 haben festgestellt, dass diese Mischung aus strittiger und versöhnlicher Kommunikation bei Verhandlungen äußerst effektiv sein kann. Durch meine Arbeit in Krisenverhandlungen im Bundeskriminalamt und bei INTERPOL kann ich dies aus der Praxis bestätigen.

Wenn Ihr Gegenüber also weiterhin mit Drohungen arbeitet, sollten Sie es warnen. Warnen, dass es auch eine Grenze gibt.

Vielleicht sagen Sie jetzt: Wir sollen doch auf eine Gegendrohung verzichten? Eine Warnung und eine Drohung sind doch das Gleiche. Worte werden von uns Menschen gedeutet. Doch Sie als Absender sind auch für Ihre Deutung verantwortlich. Der entscheidende Unterschied zwischen einer Warnung und einer Drohung liegt in der Formulierung und in dem Ton, in dem sie vorgetragen wird. Inhaltlich kann ein und dieselbe Aussage komplett unterschiedliche Konsequenzen hervorrufen, je nachdem wie sie formuliert wurde. Es hilft uns nichts, an dieser Stelle mit Schuldzuweisungen zu arbeiten und die Beziehungsebene zu unserem Verhandlungsgegenüber zu zerstören. Auch hier bleiben wir empathisch und konsequent bei der Steuerung unseres Verhandlungsgegners. Es gilt nun eine Formulierung zu finden, die vom Gegenüber als Warnung, aber nicht als Drohung empfunden wird. Es muss daraus ersehen können, dass ein Abbruch der Verhandlungen ernsthaft im Raum steht. Wie macht man das am geschicktesten? Was ist der Unterschied zwischen Warnung und Drohung?

Eine Drohung richtet sich immer konkret gegen eine Person. Egal, mit wem ich verhandle, einem Geiselnehmer oder einem Kunden, sobald ich sage: „Wenn Sie nicht aufhören, zu drohen, dann scheitert an dieser Stelle die Verhandlung“, weise ich eindeutig die Schuld am Scheitern der anderen Partei zu. Und die klare und allzu menschliche Reaktion auf eine solche Schuldzuweisung ist, dass man sie zurückweist. Wer zieht sich schon gerne freiwillig den Schuh an? Mit einer solchen Formulierung geraten Sie zwangsläufig in eine Spirale von Schuldzuweisungen. Ihr Gegenüber wird sofort versuchen, Ihnen den Schwarzen Peter zurückzuspielen, und dann jagt ein Vorwurf den nächsten. So werden Sie sicherlich kein Ergebnis erzielen.

Eine Warnung hingegen ist keine Anschuldigung. Sie richtet den Blick der Verhandlungsparteien in eine Zukunft, in der möglicherweise das Scheitern der Verhandlungen steht, sie bezieht aber die Selbstwirksamkeit und Kontrolle des Gegenübers mit ein. In einem Gespräch mit einem Kunden könnte es heißen: „Lieber Kunde, wir sind schon viele Schritte vorangekommen und haben schon einiges erreicht. Allerdings haben wir hier auch einen Punkt, bei dem ich Sorge habe, ob wir in Zukunft noch zusammenarbeiten können.“ Und jetzt kommt die entscheidende Formulierung, eine Fragestellung, bei der es ganz besonders wichtig ist, auch kongruent zu sein in Körpersprache und verbaler Sprache: „Haben Sie die Verhandlung (bzw. „das Projekt“) aufgegeben?“ Ganz wichtig: Benutzen Sie nur diesen Satz. Bieten Sie keinerlei Interpretationsspielraum, indem Sie beispielsweise erklären, wie Sie zu der Annahme kommen. Fügen Sie kein weiteres Wort hinzu und lassen Sie diesen einen Satz wirken.

Sie bringen damit zwei Stäbe zum Klingen: Die Frage, ob Ihr Gegenüber blufft, und die Andeutung, dass Sie selbst nicht bluffen. Zudem schieben Sie die Verantwortung nicht jemandem zu. Sie betonen lediglich die Sorge, dass man in der Zukunft gemeinschaftlich kein Ergebnis mehr erzielen kann. Die Formulierung zeigt die Konsequenz des möglichen Scheiterns und zwingt das Gegenüber, sich zu rechtfertigen. Und zwar für das „Aufgeben“. Wer gibt schon gerne auf? Es ist eine Frage, die sich an das Selbstverständnis und die eigene „Stärke“ richtet. Aufgeben wird als Schwäche empfunden. Sie vermeiden auf diese Weise die Schuldzuweisungsspirale, denn Sie lassen bei aller Unmissverständlichkeit dem Gegenüber die Tür offen, wieder in die Verhandlung einzutreten. Sie gewinnen also das Gegenüber für sich selbst, und es entsteht nicht der Eindruck, Sie würden Ihren Verhandlungspartner bedrohen. Drohungen machen den anderen zu einem Gegner und erzeugen Widerstand, Warnungen öffnen die Möglichkeit, ein Ziel noch gemeinsam zu erreichen.

Mara Olekalns und Jeanne Brett von der Melbourne University und Laurie Weingart von der Carnegie Mellon University5 haben u. a. festgestellt, dass Lösungen, die auf der Identifizierung von Interessen beruhen, häufig erst dann auftreten, wenn die Parteien die Möglichkeit hatten, ihre eigene Macht zu signalisieren und die Macht der anderen Partei zu bewerten. Zeigen Sie Ihre Stärke, wenn Sie mit einer besonders aggressiven Bedrohung konfrontiert werden, aber zeigen Sie Ihre Präferenz für eine Einigung im Rahmen der Verhandlung.

Mit diesen Werkzeugen sind Drohungen keine Bedrohung mehr. Wie Sie Ihren Werkzeugkasten der Verhandlungsrhetorik und der verbalen und nonverbalen Verhandlungspsychologie weiter professionell und praxistauglich füllen können, finden Sie hier.

[1] Mehr zum Thema Verhandlungsrhetorik: https://www.c4-quadriga.eu/deep-dives-verhandlungsfuehrung/

[2] Mehr zum Thema Fragetechniken: https://www.c4-quadriga.eu/deep-dive-verhandlungsrhetorik

[3] https://link.springer.com/article/10.1023/A:1007562118762

[4] https://link.springer.com/article/10.1023/A:1007562118762

[5] https://psycnet.apa.org/buy/2007-17941-006


Thorsten Hofmann, C4 Center for Negotiation

Thorsten Hofmann ist Lehrbeauftragter für wirtschaftliches und politisches Verhandlungsmanagement und Krisenkommunikation an der Quadriga Hochschule Berlin. Er leitet das C4 Center for Negotiation.

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