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Umgang mit Drohungen – 8 Tipps zum Umgang mit „aggressiven“ Verhandlungspartnern – Teil I

„Drohlärm ist Eselsgeschrei“ hat der römisch-deutsche Kaiser Friedrich II. von Staufen (1194 – 1250) einmal gesagt. Trotzdem sind Drohungen Alltag in Verhandlungen.


In der internationalen Politik droht Russland mit Stationierung russischer Truppen auf Kuba und in Venezuela, falls die USA auf Moskaus Forderungen nicht eingehen, die EU wiederum droht Russland mit wirtschaftlichen Sanktionen. In Tarifverhandlungen wird mit Streiks und in Preisverhandlungen z.B. mit Auslistung gedroht.
Zu oft behandeln wir Drohungen am Verhandlungstisch anders als andere Aspekte einer Verhandlung. Es gibt keinen Grund dazu. Die Drohung kann in einer Verhandlung dazugehören, wie jedes andere Verhalten.
Wir alle müssen manchmal mit schwierigen Leuten verhandeln.

Sie könnten hartnäckig, arrogant, feindselig, gierig oder unehrlich sein. Früher oder später wird auch jeder Verhandlungsführer am Verhandlungstisch bedroht.

Sogar „vernünftige“ Leute (wobei wir über die Bedeutung der Terminologie „vernünftig“ in Verhandlungen einen eigene Beitrag schreiben könnten) können bei Verhandlungen zu Gegnern werden: Eine Tochter im Teenageralter kann in einem Moment charmant sein und im nächsten Beleidigungen auf einen schleudern. Ihr Chef kann die meiste Zeit kooperativ und verständnisvoll sein, aber plötzlich stellt er eine „irrationale“ Forderungen an einem Freitagnachmittag und garniert sie mit einer Drohung. Ein langjähriger Kunde droht Ihnen plötzlich mit Auslistung, wenn Sie nicht sofort 10% im Preis nachgeben.

Wie damit umgehen? Wie können Sie reagieren, wenn die andere Seite droht, wegzugehen, eine Klage einzureichen oder Ihren Ruf zu schädigen?

  1. Lassen Sie nicht Ihre Amygdala-Hijacken (Selbststeuerung)

Selbst ein schwieriger oder irrationaler Verhandlungsgegenüber verhandelt mit Ihnen. Er tut dies zwar in einer unangenehmen bis unausstehliche Art und Weise, aber er verhandelt; auch wenn diese Form nicht Ihren Vorstellungen einer Verhandlung entspricht. Er verhandelt deswegen, weil er verhandeln muss und weil er etwas von Ihnen braucht oder will – sonst würde er einfach entscheiden oder noch mehr zu Ihren Lasten handeln, statt zu verhandeln.

Diese Abhängigkeit realisiert Ihr Gegenüber aber manchmal nicht oder er weiß es, und zeigt es Ihnen nicht. Er möchte diese Wahrnehmung der selbst empfundenen Abhängigkeit vermeiden – vor allem vor Ihnen. Aber auch nicht selten vor sich selbst oder/und seinem Team – da sonst die subjektiv empfundene Macht Ihnen gegenüber verloren geht. Dieses z. T. nur empfundene Machtpotenzial darf nicht unterschätzt werden. Sie wirkt auch als reale Macht; allerdings nur mit einer Voraussetzung: Sie nehmen dieses Verhalten an. Sie „spielen“ mit, und zwar als gelähmtes, flüchtendes bzw. in die Ecke gedrängtes – oder als provoziertes und angreifendes „Opfer“, das dann selbst zum „Täter“ wird.

Dieses Phänomen ist neuropsychologisch erklärbar und hat sich unter dem Fachbegriff „hijacked amygdala“ etabliert. Gemeint ist eine unangemessene emotionale Reaktion auf eine wahrgenommene Bedrohung, weil die Amygdala das emotionale Zentrum des menschlichen Gehirns ist und in Sekundenbruchteilen Antworten erstellt, wenn ein Mensch sich bedroht fühlt.

Wichtig ist jetzt, dass Sie hierbei immer noch kontrolliert agieren und nicht einfach nur reagieren. Lassen Sie sich nicht zu einem „Reaktionsautomat“ machen. Kontrollieren Sie ihre eigenen Emotionen. Atmen hilft die kognitive Impulskontrolle zu kontrollieren.

Die amerikanische Spezialeinheit der Navy-SEALs nennt es »Erregungskontrolle«. Aber hier geht es um etwas anderes, als Sie vielleicht annehmen: In der Ausbildung von Spezialeinheiten wird gelehrt, die Atmung einzusetzen, um die physiologische Erregung, das heißt die menschliche »Fight, Flight oder Freeze«-Reaktion, zu hemmen. Die Atmung ist das Bindeglied zwischen dem sympathischen Nervensystem, das uns in den Reaktionsmodus versetzt, und dem parasympathischen Nervensystem, das uns wieder in den Normalzustand versetzt, wenn die Belastungssituation vorüber ist[1]. Wird das sympathische Nervensystem angeregt, werden Hormone wie Kortison, Adrenalin, Epinephrin und Norepinephrin ausgeschüttet, die eine augenblickliche körperliche und psychische Reaktion auslösen und den Körper für eine starke Reaktion auf eine Gefahr bereit machen. In einer Welt, in der die »Gefahren« oft nicht greifbar sind, hat diese Reaktion jedoch oft schädliche Auswirkungen, wenn uns die Fähigkeit fehlt, diese Systeme wieder ins Gleichgewicht zu bringen und uns hindert, z.B. in einer Verhandlung Zielführend zu agieren[2].

Atmen Sie einmal in den Bauchraum und dann gehen Sie mit den nächsten Schritten weiter.

  1. Reduzieren Sie die Bedrohung

Hinter einer Drohung verbirgt sich etwas. Es ist ihr Job dies herauszufinden. Auf keinen Fall darf die Drohung jedoch wiederholt oder ignoriert werden. Wiederholen führt zu einer Manifestation des Gesagten am Verhandlungstisch. Beim Ignorieren fühlt die Gegenseite sich nicht anerkannt und wertgeschätzt und reagiert gegebenenfalls mit noch stärkerer Aggression. Diesmal allerdings nicht durch das Thema ausgelöst, sondern durch ihr Verhalten gegenüber dem Verhandlungspartner. Und dies gleichgültig, ob es ein echtes Thema gibt oder die Drohung nur als Bluff genutzt wird. Noch weniger hilfreich ist eine Gegendrohung. Damit sind die beiden Verhandlungsparteien endgültig auf der Beziehungsebene und der Weg zum endgültigen Abgrund nicht mehr weit.

Wie gehen Sie also damit um, wenn ihr Gegenüber sagt „Wenn ich nicht sofort 10% Nachlass erhalte, dann liste ich Sie und Ihre Firma aus.“ Diese offensichtliche Drohung muss sofort reduziert und versachlicht werden „Wenn ich Sie richtig verstehe, dann denken Sie, über verschiedene Alternativen auf Basis veränderter Rahmenbedingungen nach. Wir sollten uns deshalb auf unser gemeinsames Ziel fokussieren …“

  • Überlegen statt Tun
  • Alternativen statt Auslisten

Minimieren Sie eine Drohung, indem Sie mit eigenen Worten den Druck reduzieren und das Bild der realen Bedrohung aus dem Kopf Ihres Gegenübers nehmen.

3. Zeigen Sie Verständnis aber kein Zugeständnis

Wie es Kundendienstmitarbeiter in verschiedensten Firmen lernen, besteht der beste Weg, mit einem „emotional Betroffenen“ umzugehen, darin, auf seine Beschwerden zu hören, seine Emotionen anzuerkennen und sich für seine Themen zu interessieren. Tom Tyler, Professor an der New York University, hat gezeigt, dass Menschen in Konflikten, die ihre Emotionen ausdrücken und ihre Seite der Geschichte erzählen, mit den Ergebnissen zufriedener sind – auch wenn diese Ergebnisse nicht zu ihren Gunsten sind [3]. Das Ausdrücken von Verständnis kann Spannungen entschärfen und das Risiko zusätzlicher Bedrohungen verringern. Achten Sie jedoch darauf, Tiraden nicht mit Zugeständnissen zu belohnen.

4. Diagnostizieren Sie die Bedrohung

Manchmal treten Bedrohungen als offenkundige Erklärungen wie oben geschildert auf. In anderen Fällen sind sie subtiler: „Weißt du, ich würde es sehr bedauern, wenn dies Ihrer Reputation schadet.“ Unabhängig davon ist es wichtig, dass Sie verstehen, was die Bedrohung ausgelöst hat, da die Ursache die Reaktion des Gegenübers ggfs. bestimmt hat. Der erste Schritt zur effektiven Bedrohungsdiagnose besteht darin, sich physisch und / oder psychisch aus der Situation zu entfernen.

  • Sie könnten Ihrem Gegenüber vorschlagen, dass es Zeit für eine Pause ist, um den „Dampf“ aus der Situation zu nehmen.
  • Sie können sich vorstellen, dass Sie ein externer Beobachter sind, der versucht, die Bedrohung objektiver zu bewerten. Dieses sog. „dissoziierte Verhalten“ führt dazu, dass Sie sich von der Situation lösen. So reduzieren Sie Ihre Emotionen (lassen Ihre Amygdala nicht hijacken) und können wirklich hören, was die andere Seite sagt. Betrachten Sie als Nächstes die Motivation hinter der Bedrohung, die den Bedrohenden als einen dieser Typen identifizieren kann:

    Das Opfer: Wenn sich Ihr Gegenüber frustriert oder beleidigt fühlte, ist die Bedrohung möglicherweise aus einem verletzten psychologischen Grundbedürfnis hervorgegangen, z.B. gehört und anerkannt zu werden.

    Der Unsichere: Er weiß einfach nicht, wie er mit Ihnen verhandeln soll oder er hat keine Fähigkeiten hierzu gelernt. Das Einzige was er kann ist Drohen. Helfen Sie ihn zu verhandeln [4].

    Der Direkte: Er informiert Sie direkt über die tatsächlichen Einschränkungen, denen er ausgesetzt ist, oder über die starken externen Alternativen, die sie haben. Er bringt dies sprachlich zwar aggressiv an den Tisch, wird sich allerdings auch Lösungsorientiert bei der suche nach Optionen zeigen.

    Der Bluffer: Er versucht Ihre Abhängigkeit an das Geschäft/das Thema zu testen. Wenn dies der Fall ist, dann ist die Bedrohung mehr Taktik als Realität. Reagieren Sie hier zu schnell nachgebend, haben Sie ihn erzogen. Er wird es immer wieder tun und Sie selbst für einen Bluffer halten.

Die weiteren Hinweise 5-8 zum Umgang Drohungen erfahren Sie im nächsten Monat und noch mehr zum konkreten Umgang mit irrationalen Verhandlungspartnern, der Analyse von Bluffs und Verhandlungspsychologie hier.

[1] https://www.researchgate.net/publication/289937389_Protocol_for_Heart_Rate_Variability_Biofeedback_Training

[2] https://www.researchgate.net/publication/267572589_Individual_differences_in_heart_rate_variability_are_associated_with_the_avoidance_of_negative_emotional_events

[3] https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1080/002075900399411

[4] Wie Sie verhandeln lernen finden Sie hier: https://www.c4-quadriga.eu/certified-professional-business-negotiator/


Thorsten Hofmann, C4 Center for Negotiation

Thorsten Hofmann ist Lehrbeauftragter für wirtschaftliches und politisches Verhandlungsmanagement und Krisenkommunikation an der Quadriga Hochschule Berlin. Er leitet das C4 Center for Negotiation.

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