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Supermarkt vs. Supermacht

Trump spielt weiter die Rolle des CEO eines Unternehmens, nicht jene eines Präsidenten. Seine Verhandlungsstrategie gleicht der eines Einkaufsleiters einer großen Supermarktkette. Der Chef entscheidet, was im Regal stehen darf und was nicht. Die Ansätze, die er nutzt, sind in diesem Umfeld erfolgreich. Das Problem: Er vergisst dabei die Komplexität des politischen Parketts – mit weitreichenden Folgen.

Unmittelbar nach seinem Amtsantritt als 45. Präsident der Vereinigten Staaten legte Donald J. Trump bereits los. Es vergingen nur wenige Stunden, ehe der reiche Bauunternehmer seine ersten Dekrete unterzeichnete und damit seinen Worten nachhallende Taten folgen ließ. Der Ausstieg aus dem Transpazifischen Freihandelsabkommen TTP war der Startschuss für eine neue US-amerikanische

Wirtschafspolitik und zudem die klare politische Positionierung des von Trump so oft verwendeten Grundsatzes „America First“. Donald Trump ist so etwas wie der Elefant im wirtschaftspolitischen Porzellanladen. Er ist laut, poltert und ist vor allem getrieben von seiner unbändigen Überzeugung für eine protektionistische Wirtschaftspolitik, oder kurz: Trump ist die Personifizierung des Neoprotektionismus – Mauern hoch für die amerikanische Wirtschaft.

Persönlichkeitsstruktur hinter der Abrissbirne des freien Handels

Unabhängige Schätzungen sagen, dass Trump sein Milliardenvermögen vor allem mit Immobilien und im Unterhaltungsbereich angehäuft hat. Der Name Trump wurde damit zu einer Marke. Da ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass der Mann im Weißen Haus viel auf seine eigenen Erfahrungen und Deals versucht zurückzugreifen. Was im Immobiliengeschäft funktioniert, muss in der Politik doch auch funktionieren. Der 70-jährige war zu lange im Baugeschäft, um eine andere Form der Dealstruktur als erfolgreich zu verstehen. Hier sind die Deals projektbezogen. Der „Stärkere“ gewinnt. Schwäche wird gnadenlos ausgenutzt. Wer sich illoyal verhält, wird abgestraft, verliert seinen Job und wird auch dauerhaft und nachtragend beschädigt. Ein Verhaltensmuster, wie es sie beispielsweise auch beim russischen Präsidenten Putin gibt. Hinzu kommt ein brachiales Verhalten, gepaart mit Selbstbezogenheit und einem autoritären Führungsstil. In der Psychologie spricht man hierbei vom sogenannten Dominaten Typ mit einem primären Motiv der Kontrolle. Dominante Persönlichkeiten wollen andere besiegen, Hindernisse durch Zielstrebigkeit überwinden und ihr Umfeld formen. Ängste bestehen bei diesem Typ im Verlust der Kontrolle oder gar übervorteilt zu werden. Für diesen Typen besteht das ganze Leben aus einem fortwährenden Wettkampf in dem er immer obsiegen muss. Dementsprechend zeigt sich auch bei Trump ein selbstbewusstes und aggressives Verhalten mit kraftvollen Maximalforderungen. Der französische Romanschriftsteller Honore de Balzac sagte einmal: „Alle Macht des Menschen besteht aus einer Mischung von Zeit und Geduld.“ Für einen dominante Menschen wie Trump keine leichte Herausforderung. Denn Warten entspricht ihrem Wesen nicht. Langfristiges Planen eigentlich auch nicht. Deswegen ist Twitter auch sein direktes Medium der Kommunikation: kurz und schnell.

Bei dem leisesten Zweifel oder gar Angriff gegen seine eigene Person kann er damit sofort in den Angriffsmodus übergehen und den Gegenüber attackieren. Bestes Beispiel hierfür war Trumps Reaktion auf die kritische Rede von Meryl Streep während der Golden-Globe Verleihung. Via Twitter bezeichnete der US-Präsident die Schauspielerin als überbewertet. Und, auch ein weiteres Verhalten ist dem Dominaten-Typ zu eigen; er versucht bei jeder Person schon im Erstkontakt die Schwächen zu finden.

Kein Wunder also, dass es für Trump nur schwarz oder weiß gibt. Er unterteilt die Welt in „Gut oder Böse“, „Freund oder Feind“ und wechselt damit in eine Angriffsdialektik. Er stellt irrationale Forderungen und wirkt diplomatisch unkontrolliert. Stichwort Welthandel. Trump ist sich im Klaren darüber, dass dieser ohne die USA nicht funktionieren kann.

Aus jedem der hier seine Waren verkaufen will, gilt es so viel wie möglich herauszuholen. Dabei agiert der Multimilliardär so wie ein Chef-Einkäufer einer Supermarktkette, der nur jene Waren von Herstellern in den Regalen platziert, die gewillt sind seine Bedingungen zu akzeptieren.

Trump stellt dabei fast immer Extremforderungen mit nachhallender Wirkung auf wirtschaftliche und politische Gegner. Doch diese Herangehensweise ist man im politischen Umfeld bestenfalls von isolierten Diktatoren gewohnt. Eine Supermacht hat hochkomplexe Vernetzungen und Abhängigkeiten zu berücksichtigen. Sicherheits- und Verteidigungspolitik, Wirtschafts-, Währungs- und Finanzpolitik, Umwelt-, Handels- und Verbraucherpolitik. Supermarkt ist eben doch nicht Supermacht.

Kalkül zahlt sich aus – als Teil der Taktik

Trump denkt und führt sein Amt als Präsident kaum anders, als eines seiner vielen Unternehmen – als CEO mit einfacher Dealstruktur. Deutlich wird dies in der protektionistischen Ausgestaltung der Wirtschaftspolitik. Dabei kommuniziert der US-Präsident gerne Forderungen und Pläne seiner Administration ohne sie weiter zu konkretisieren. Bestes Beispiel hierfür sind die angedrohten Einfuhrzölle von bis zu 35 Prozent. Dies erinnert an Vorgehensweisen der klassischen Verhandlungstaktik. Trump setzt mit Extremforderungen einen ersten Verhandlungsanker und beobachtet dann das Verhalten und die Reaktion der Anderen. Statt ihre eigenen Forderungen zu reflektieren und in die Verhandlung einzubringen, reagieren Unternehmen direkt und geben nach. Das spielt Trump in die Karten, wie am Beispiel GM deutlich wurde.

Aus Freunden können Feinde werden

Trumps protektionistische Wirtschaftspolitik bleibt nicht ohne Folgen. Gegner als auch Partner sind nun gezwungen, sich Fragen des Umgangs mit einem selbstbezogenen und dominanten Typen zu stellen. Hier ist die Demonstration von Selbstwertgefühl und eigener Stärke wichtig. In der Verhandlung empfiehlt es sich eine Vielzahl von Alternativen aufzubauen und es dem Dominanten auch wissen zu lassen. Somit kann man hart zu seinen eigenen Gunsten verhandeln. Vermeiden sollte man aber, dass der Dominante sein Gesicht verliert.

Dieser Ansatz zeigt sich bereits im Agieren Australiens nach Trumps Aufkündigung von TPP. China wird als neuer Spielball eingebracht. Das kann zu lachenden Dritten führen und Länder neu zusammenschweißen. Trump pokert hoch mit einer klaren Taktik für einfache Deals. Die Risiken werden in einer verflochtenen Weltstruktur jedoch unzureichend beleuchtet und es besteht die Gefahr auf anderen Verhandlungsfeldern Boden zu verlieren. Beispiel Mexiko. Die mexikanische Regierung hat längst eine andere Tonart eingeschlagen und weiß um die Abhängigkeit der amerikanischen Wirtschaft von Importen. Strafzölle könnten hier für Trump zum Boomerang werden. Zusätzlich exportieren US-Staaten auch intensiv nach Mexiko, welches ebenfalls Strafzölle erheben möchte. Betroffen wären dann: Iowa, Wisconsin und vor allem Texas. Für sie ist Mexiko das Zielland für die eigenen Exporte. Allein Texas habe, laut BBC, im Jahr 2015 Waren im Wert von 92,4 Milliarden Dollar (umgerechnet 87,5 Milliarden Euro) nach Mexiko exportiert. Dazu ist Mexiko auf der Suche nach weiteren strategischen Partnern. Ohnehin hat das Land Freihandelsabkommen mit über 40 Ländern unterzeichnet. Die Verhältnisse zu Argentinien und Brasilien sollen gestärkt, die wirtschaftliche Nähe zu Deutschland ausgebaut, das Freihandelsabkommen mit der EU modernisiert und der Handel mit Asien vertieft werden. Und wieviel Aufwand Mexiko noch in die Bekämpfung des Drogenschmuggels nach Amerika verwenden würde, dürfte ebenfalls neu verhandelt werden.

Fazit vom Verhandlungsexperten Thorsten Hofmann

Trump empfindet jedes Entgegenkommen als Schwäche, was dazu führt, dass er seine Forderungen erhöht. Doch gerade hier besteht die Chance für Verhandlungspartner. Als Dominante und selbstbezogene Persönlichkeit kann ihm nur mit Selbstwertgefühl und Stärke begegnet werden. Seine Person wertzuschätzen (auch wenn es schwerfällt) und trotzdem in den eigenen Forderungen hart zu bleiben und Alternativen aufbauen. Dazu müssen Partner ihn als Persönlichkeit tolerieren. Keine Konkurrenz, kein Alpha-Gehabe, aber dennoch hartes Verhandeln zu den eigenen Gunsten. Nur wer bei ihm gegenhält, kann seine eignen Ziele durchsetzen. Schnelles Nachgeben führt zu Nachforderungen. Mit diesem Weltbild geht Trump auch in Verhandlungen auf allen Ebenen „All in“. Ob ein neuer Partner wiederum mitspielt, ist eine andere Frage. Mexiko bleibt selbstbewusst und China steht als Global Player in der Warteschlange ohnehin ganz vorne an.

 

Anmerkung:

Dieser Beitrag erschien erstmalig am 09. März 2017 im Debattenportal „Causa“ des Tagesspiegel.  

 

Mehr zu Politischer Verhandlungsführung gibt es in den  „Advanced Business Negotiaton Seminaren“ des Instituts C4 der Hochschule Quadriga.


Bildquellen

  • US-Flagge/Trump : HypnoArt, Pixabay | CC 0 Public Domain

Thorsten Hofmann, C4 Center for Negotiation

Thorsten Hofmann ist Lehrbeauftragter für wirtschaftliches und politisches Verhandlungsmanagement und Krisenkommunikation an der Quadriga Hochschule Berlin. Er leitet das C4 Center for Negotiation.

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