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Interkulturelle Verhandlungen – Achtung vor Stolperfallen

Der G7-Gipfel in Biarritz vor etwa einer Woche hat erneut die Komplexität internationaler Verhandlungen aufgezeigt: Gerade in Zeiten selbstbezogener Verhandler wie Donald Trump und Boris Johnson, lässt sich vor einem Treffen internationaler Staats- und Regierungschefs kaum noch deren Ausgang prognostizieren. Von eskalierenden Handelskonflikten und einem perspektivlosen Brexit, über Klimaschutz und den Iran-Deal. All diese Themen haben eine große Sprengkraft. Es ist unabdingbar, hier globale Lösungen zu erarbeiten. Doch nicht nur durch narzisstische Regierungschefs gestalten sich Verhandlungen auf internationalem Parkett oft als schwierig. Grundsätzlich gibt es in Verhandlungen viel zu beachten, wenn die VerhandlungspartnerInnen aus verschiedenen Kulturräumen stammen.

Alle Jahre wieder treffen sich die sieben ehemals größten Industrienationen, um über globale Herausforderungen zu sprechen. Oftmals werden in Medien und Öffentlichkeit nach solchen Treffen die ausgehandelten Ergebnisse kritisiert. Von den Befürwortern der Gipfel wird verteidigend entgegengebracht, dass es sehr schwer sei, die verschiedenen und oftmals gegenläufigen Interessen einem Ergebnis zuzuführen. Dieses Mal kündigte der französische Präsident Macron als Gastgeber sogar an, keine umfangreiche Abschlusserklärung veröffentlichen zu wollen. Ein Beispiel, das zeigt, wie verstrickt internationale Verhandlungen sein können. Nur weil es schwieriger sein kann, sich mit internationalen Partnern zu einigen, bedeutet das nicht, dass es keine Strategien gibt, diesen Fallstricken zu entkommen.

Herausforderungen in interkulturellen Verhandlungen

Der Kern, um den in interkulturellen Verhandlungen potentiell auftretenden Problemen zu begegnen, liegt in einer optimalen Vorbereitung. Hier haben Politiker einen Vorteil, weil sie auf einen ganzen Stab an Mitarbeitern und eine lange diplomatische Tradition zurückgreifen können. Die Regierungschefs verfügen meist über viel Erfahrung auch auf internationalem Parkett und bewegen sich daher routinierter, als es vielleicht bei Unternehmern der Fall ist, die gerade erst in ausländische Märkte expandieren. Die Lektion an dieser Stelle lautet: Die Vorbereitung auf interkulturelle Verhandlungen ist alles und sollte auch für Unternehmen eine hohe Priorität haben. Bereiten Sie sich deshalb gezielt auf folgende Fragen vor:

  • Wo wird verhandelt? Hier spielt auch ein gewisses Raumverständnis eine Rolle: Wie viel Raum ist nötig, um nicht bedrängt zu werden?
  • Wann und wie lange wird verhandelt? Beachten Sie hierbei auch unterschiedliche Zeitverständnisse.
  • Wer verhandelt? Wie ist das Verhandlungsteam zusammengesetzt? Wie viele und welche Personen sollen die Organisation minimal/maximal vertreten? Mit wie vielen Personen ist in der Verhandlungsdelegation des Partners zu rechnen und wie ist diese voraussichtlich zusammengesetzt?
  • Wer hat Entscheidungsgewalt? Hier gibt es große kulturelle Unterschiede.
  • Was wird verhandelt? Beachten Sie auch den Kontextbezug bei der Kommunikation: Wie viel Information ist nötig?
  • Wie wird verhandelt? Und hier speziell:
    • Kultur des Beziehungsaufbaus
    • Regeln der Begrüßung
    • Kulturelle Regeln bei der Präsentation eines Angebots
    • Argumentation über die Berechtigung der eigenen Interessen
    • Kulturelle Regeln der Gesprächsführung
    • Kulturelle Regeln der nonverbalen Kommunikation
    • Kulturelle Regeln des Verhandlungsabschlusses (nicht überall ist damit der komplette Abschluss einer Verhandlung gemeint)

Spannungen in Verhandlungen, die sich aus interkulturellen Missverständnissen ergeben, wirken oft nur unter der Oberfläche. Fehler werden eventuell überhaupt nicht erkannt, weil das eigene Verhalten für sehr höflich und der Situation angemessen erachtet wird. Am Ende sind die Verhandelnden dann vom Ergebnis überrascht und wissen nicht, warum es nicht zu einem erfolgreichen Vertragsabschluss gekommen ist.

Wo liegen die Unterschiede in interkulturellen Verhandlungen?

Besonders im geschäftlichen Umgang zwischen Europa und Asien bestehen Unterschiede in der Verhandlungskultur, wobei an dieser Stelle darauf verwiesen sei, dass pauschale Aussagen für den Einzelfall auch ihre Grenzen haben. So zeigen sich Europäer beispielsweise oft abschlussorientierter als Asiaten, die beziehungsorientierter sind. Abschlussorientierte Menschen wollen in Verhandlungen schnell „zur Sache“ kommen und empfinden es als langsam und wenig ambitioniert, wenn der beziehungsorientierte Gegenüber zuerst daran interessiert ist, ein Vertrauensverhältnis auszuloten. Er wird allerdings selbst wegen seiner Schnelligkeit und seines Pragmatismus oft als unhöflich wahrgenommen.

Diese Direktheit wird auch bei der verbalen Kommunikation deutlich. So würde ein Deutscher ein Problem meist am liebsten sofort und unmittelbar ansprechen. Ein Japaner versucht hingegen sich vorsichtiger auszudrücken. Dies kann in ganz banalen Verhandlungssituationen zu großen Problemen führen. Wenn zum Beispiel in einer Verhandlung eine Frage auftaucht, die Sie mit einem „Nein“ beantworten müssen, kann diese Antwort in einigen Kulturkreisen die Verhandlungsatmosphäre massiv verschlechtern. Hier wäre es sinnvoller, mit Sätzen wie „wir werden eine genaue Betrachtung vornehmen“ oder „das wird eine schwierige Herausforderung werden“ anzudeuten, dass die Forderung wohl nicht erfüllbar ist. Ansonsten fühlen sich die Geschäftspartner eventuell beleidigt. Negatives sollte besonders im asiatischen Kulturraum möglichst nicht direkt an und ausgesprochen, sondern eher umschrieben werden.

Ein weiterer wichtiger Faktor sind zudem die Hierarchien im anderen Land. So gibt es Länder, die von starren und formellen Strukturen geprägt sind und in denen Statusbewusstsein einen hohen Wert einnimmt. Prallen solche Vorstellungen auf die von informell eingestellten Geschäftspartnern, kommt es schnell zum Konflikt. Der saloppe Umgang der einen Seite wird als unhöflich ausgelegt, während diese mit dem Gebaren des Gegenüber nichts anfangen kann. Besonders oft kracht es hier zwischen den etwas informeller geltenden Australiern und den formellen Japanern.

Stolpersteine lauern auch dort, wo man sie nicht erwartet

Es lauern aber auch Stolpersteine, wo sie vielleicht überhaupt nicht erwartet werden. Stellen Sie sich zum Beispiel folgende Situation vor: Sie sind in Indien mit einem Beamten verabredet, um die Realisierung eines großen Bauvorhabens zu besprechen. Nach über einer halben Stunde Wartezeit, geht ihr Gesprächspartner ohne ein Wort der Entschuldigung sofort zu „business as usual“ über. Was Sie womöglich für eine Frechheit halten, nimmt ihr Gegenüber vielleicht nicht einmal als Fehler wahr. Das liegt daran, dass manche Kulturen, besonders der Westen, sehr terminfixiert sind. Andere Kulturkreise, vor allem in Afrika und Asien, gelten als eher zeitoffen. Was aus westlicher Perspektive faul, undiszipliniert oder schlicht unhöflich erscheinen mag und im schlimmsten Fall zu Vorurteilen verleitet, beruht oftmals auf einer unterschiedlichen Wahrnehmung und Wertschätzung von Zeit. Die Terminfixiertheit kann sogar eine gestresste oder unangenehm nervöse Wirkung hervorrufen. Allerding sollten Sie hier wachsam sein. Es gibt durchaus Verhandlungstaktiken, bei denen man seinen Partner / seine Partnerin mit sogenannten Regelbrüchen gewissermaßen testet. Eine genau Vorbereitung, sowohl auf den jeweiligen Kulturkreis, als auch auf die verschiedenen Taktiken, kann helfen, eine präzise Einschätzung der Lage vornehmen zu können.

Fazit

All diese Ausführungen geben nur einen Ausschnitt dessen wieder, was alles beachtet werden muss, wenn man sich in internationalen Gefilden in Verhandlungen begibt. Wer eine Sensibilität für diese Stolpersteine entwickelt, ist bestens gewappnet, auf jedem Terrain erfolgreiche Verhandlungen zu führen. Doch eines sollte nicht vergessen werden: Jede Verhandlung und jeder Verhandlungsgegenüber sind individuelle Persönlichkeiten. Bleiben Sie flexibel, bereiten Sie sich kulturell vor und stellen Sie sich auf den Persönlichkeitsstil ihres Gegenübers ein. Nur dann gelangen Sie zu einem erfolgreichen Ergebnis. Auch tiefergehende Faktoren wie Beziehung oder Abhängigkeitsverhältnisse sollten in einer Verhandlungsvorbereitung nicht vernachlässigt werden. Denn am Ende kann es immer sein, dass Sie einem narzisstischen Verhandlungstypen wie Donald Trump gegenübersitzen, der sich zwar nicht an die ungeschriebenen Regeln und Gewohnheiten in interkulturellen Verhandlungen hält. Aber trotzdem etwas von ihnen will, sonst würde er nicht am Verhandlungstisch sitzen!

Wie Sie in interkulturellen Verhandlungen agieren und welche Feinheiten dabei zu beachten sind, lernen Sie unter anderem auch in meinen Verhandlungsseminaren am Center for Negotiation der Quadriga Hochschule. In den Seminaren beleuchten wir auch die Persönlichkeitsanalyse des Gegenübers inklusive des Distant Profilings sowie die Verhandlungspsychologie und geben Ihnen Werkzeuge an die Hand, mit denen Sie auch für internationale Verhandlungen bestens gewappnet sind.

Bildquelle:

  • knerri61, Pixabay  | CC 0 Public Domain

Thorsten Hofmann, C4 Center for Negotiation

Thorsten Hofmann ist Lehrbeauftragter für wirtschaftliches und politisches Verhandlungsmanagement und Krisenkommunikation an der Quadriga Hochschule Berlin. Er leitet das C4 Center for Negotiation.

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