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Fünf häufige psychologische Verhandlungsfehler und wie Sie sie vermeiden können

Fünf häufige psychologische Verhandlungsfehler

Unser Gehirn ist etwas Wundervolles. Aber manchmal führt es uns in Verhandlungen auf den falschen Weg. Die Gründe hierfür sind unbewusste Emotionen und Wahrnehmungsfehler, denen wir unterliegen können.

Wie bei allem in der Verhandlung gilt auch hier: Was ich erkenne, kann ich eliminieren. Was ich nicht erkenne, führt im schlimmsten Fall dazu, dass ich gesteuert werde.

Wir alle neigen in Verhandlungen dazu, immer wieder die gleichen Fehler zu begehen. Glücklicherweise können wir durch Bewusstmachen, Vorbereitung und Übung unsere Verhandlungsfehler reduzieren und bessere Abschlüsse erzielen.

Manchmal sind unsere Verhandlungsfehler offensichtlich: Wir geben versehentlich unser Walk-away preis, reagieren aggressiv auf die andere Partei, obwohl Geduld angebracht wäre, oder bringen unsere eigenen Zahlen durcheinander. Häufiger jedoch sind unsere Verhandlungsfehler unsichtbar: Wir erzielen einen Deal, sind uns aber nicht bewusst, dass wir einen deutlich besseren hätten erzielen können, wenn wir nicht in die üblichen Fehler und Fallen getappt wären. Wenn Sie sich mit diesen fünf häufigen Verhandlungsfehlern befassen und wissen, wie Sie sie vermeiden können, können Sie Ihre Ergebnisse optimieren:

1. Wir greifen auf kognitive Abkürzungen zurück

Psychologen haben herausgefunden, dass wir bei Verhandlungen alle auf kognitive Abkürzungen zurückgreifen, insbesondere wenn wir unvorbereitet sind und wenig Zeit haben. Wir neigen beispielsweise dazu, unsere Chancen, unseren Willen durchzusetzen, viel zu hoch oder gravierend zu niedrig einzuschätzen. Und wir schenken dabei Themen, die für uns konkret erscheinen (wie der kurzfristigen Gehaltserhöhung bei einer Jobverhandlung oder dem Preis bei einem Produkt), mehr Aufmerksamkeit als aktuell nicht so konkreten Themen (wie unseren zukünftigen Karrierestufen in der Firma, der Länge des Arbeitswegs oder der Preisstabilität über die Laufzeit eines Vertrags), die aber einen größeren Einfluss auf unser gesamtes Verhandlungsergebnis in der Zukunft haben könnten. Dieser Vividness-Effekt1 führt häufig zu falschen Entscheidungen in Verhandlungen.

Wir glauben auch häufig zu wissen, was die andere Partei will, was sie vorhat und wie sie vorgeht. Wir geben uns gern Vorannahmen hin. Unser Gehirn liebt diese Abkürzungen der Vorannahme, da es hierfür weniger Energie benötigt, als die tatsächliche Situation in den Verhandlungen genau zu analysieren und auf dieser Basis zu Bewertungen zu kommen. Vorannahmen führen leider zu Filtern in unserer Wahrnehmung, durch die nur das durchgelassen wird, was die Vorannahme bestätigt. Dadurch gehen uns wichtige Informationen verloren, die unser Ergebnis verbessern würden.

Wir können unsere Filter der Vorannahmen abstreifen und die schädlichen Auswirkungen dieser Vorurteile verringern, indem wir uns vor den Verhandlungen bewusst machen, was unsere Vorannahmen sind, und diese aufschreiben. In der Verhandlung suchen wir dann danach, was gegen unsere Vorannahmen spricht. Denn in Verhandlungen gilt immer: „Stop guessing! Start Testing!“2

2. Wir lassen uns von unseren Emotionen überwältigen.

Neben kognitiven Verzerrungen sind Verhandlungsführer auch anfällig für emotionale Verzerrungen. Ein weiterer Punkt, der verhindert, unser optimales Ergebnis zu erreichen. Emotionen gehören zu einer Verhandlung wie die Luft zum Atmen. In einer Verhandlung steht zwischen uns und unserem zu erzielenden Ergebnis immer eine andere Partei oder Person. Allein dieser Umstand der empfundenen Abhängigkeit führt schon dazu, dass in uns Emotionen auftauchen. So weit, so wenig schlimm.

Aber starke Emotionen können uns auch davon abhalten, rationale Entscheidungen zu treffen – und Verhandlungsfehler nach sich ziehen. Verhandlungsführer realisieren häufig gar nicht oder erst nach der Verhandlung, wie sich Emotionen auf das Geschehen auswirken. Wut kann uns z. B. dazu verleiten, übermäßig riskante Entscheidungen zu treffen. Dies kann zu einem „emotionalen“ Abbruch statt zu einem „kalkulierten“ Abbruch führen. Jennifer Lerner3 , Professorin an der Harvard Kennedy School, hat in Studien herausgearbeitet, dass z. B. die Emotion Trauer dazu führt, dass wir in Verhandlungen häufig zu viel bezahlen. Trauer als Emotion kann in einer Verhandlung schon bei der Vorstellung eines Verlusts (Beziehung, Produkt etc.) aufkommen. Wer darüber Bescheid weiß, kann diesen Umstand dementsprechend auch manipulativ Ihnen gegenüber einsetzen.

Wenn Verhandlungen also hitzig werden, sollten Sie eine Pause einlegen, damit sich alle Beteiligten abkühlen können. Unterbrechungen sind kein Zeichen von Schwäche.

3. Non-Verbale Blindheit: Wir sind nicht in der Lage, die Emotionen der Gegenseite zu erkennen

Die eigenen Emotionen zu managen, ist wichtig. Die des Gegenübers richtig zu analysieren, führt zu optimierten Ergebnissen. Allerdings steht uns dann die „Non-Verbale-Blindheit“ im Wege.

In Verhandlungen versuchen zwar viele abzuschätzen, ob ihr Gegenpart blufft oder täuscht. Dabei verlassen sich die meisten auf ihr Bauchgefühl und weniger auf wissenschaftlich fundierte Analysen.

Heute weiß man, dass je höher die Relevanz des Themas (oder des Verhandlungsgegenstands) und die damit verbundene subjektive Gewinn- oder Verlusterwartung ist, desto deutlicher zeigen sich die damit verbundenen Emotionen in Gestalt nonverbaler Reaktionen. Denn die nonverbale Kommunikation läuft immer parallel zu unseren sprachlichen Äußerungen ab, meist automatisch. Und selbst wenn wir schweigen, kommunizieren wir immer noch – es ist schlicht unmöglich, dies einfach zu stoppen und zu unterlassen. Oder wie schon der österreichische Psychotherapeut Paul Watzlawick sagte: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“

Für Verhandlungen bedeutet das: Verbale und nonverbale Signale haben eine Menge miteinander zu tun, mehr als man vielleicht im ersten Moment denken könnte. Die Wissenschaft hat über diese Zusammenhänge immer spannendere Erkenntnisse zutage gebracht. Blickverhalten, Mimik (Gesichtsausdruck), Gestik (Körperhaltung und Körperbewegung), Distanz, stimmliche Merkmale (Ton, Sprechgeschwindigkeit, Pausen etc.) drücken immer etwas aus, ob wir wollen oder nicht. Die Wissenschaft zum Thema der non-verbalen Analyse hat in den letzten Jahren enorme weitere Fortschritte gemacht. Fortschritte, die professionelle Verhandler in ihre Toolbox integrieren, um sich vom „Bauchgefühl“ zu verabschieden und die wissenschaftlichen Analysen anzuwenden.

4. Der Sunk-Cost-Bias oder Rosinenpicken zulassen

Am Ende einer Verhandlung entsteht manchmal noch eine Situation, die wir als Rosinenpicken bezeichnen. Die Gegenseite möchte ein besprochenes Verhandlungspaket noch einmal verändern, häufig mit dem Hinweis, dass z. B. der Chef oder die Rechtsabteilung noch irgendwelche zusätzlichen Forderungen hat. Nachdem wir so viel Zeit, Energie und Ressourcen in die Verhandlung investiert haben, schreien unsere Emotionen häufig: „Gefährde nicht das Ergebnis mit einem Nein!“, und wir geben nach. Ohne zu verhandeln. Ohne etwas zu fordern. Angst ist immer ein schlechter Ratgeber. Diese Bereitschaft, an einem bestimmten Zustand festzuhalten und schnell nachzugeben, wird als Sunk Cost Bias4 bezeichnet, und ist ein wichtiger Bestandteil vieler Verhandlungen. Der Sunk Cost Bias ist ein unschönes psychologisches Phänomen, das dazu führt, dass Menschen eher bereit sind, an einer Sache festzuhalten, selbst wenn sie negative Konsequenzen hat, nur weil sie bereits eine gewisse Investition (Zeit, Energie und Hirnressource) getätigt haben und dies unbewusst nicht gefährden wollen. Dieser Verzerrungseffekt tritt häufig in Verhandlungen auf, wenn es nach längeren Verhandlungen um Investitionen, den Kauf oder Verkauf eines Produkts oder die Vergabe eines Auftrags zu Nachforderungen der Gegenseite kommt. Immer dann, wenn wir schon viel Zeit, Energie (in Form von Glucose) oder Ressourcen (personelle und immaterielle) investiert haben. Wir geben schnell nach, um das Gesamtergebnis nicht zu gefährden, und etablieren ein Muster, welches die Gegenseite immer wieder gegen uns einsetzt. Machen Sie sich beim nächsten Rosinenpicken bewusst, was gerade geschieht. Sollte es eine Nachforderung geben, gehen Sie gedanklich einen Schritt zurück und formulieren: „Für uns beide gilt ja der Satz: Nichts ist verhandelt, bevor nicht alles verhandelt ist.“ Jetzt öffnen Sie das Paket und verhandeln diesen Punkt. Dies hilft Ihnen, Ihr Ergebnis zu optimieren, und schützt Sie davor, dass dieses Muster immer wieder gegen Sie angewendet wird.

5. Trägheit als Selbstbetrug – Mangelnde Vorbereitung

Der häufigste Verhandlungsfehler von Geschäftsleuten besteht darin, dass sie sich ohne gründliche Vorbereitung in eine Verhandlung stürzen. Sie denken vielleicht, dass Sie gründlich vorbereitet sind, wenn Sie eine klare Vorstellung davon haben, was Sie aus dem Geschäft herausholen wollen. Das ist bei Weitem nicht ausreichend. Mangelnde Vorbereitung wird gerne mit der Ausrede gerechtfertigt „keine Zeit“, „krieg ich schon hin“ oder „ich habe ja schon mit der Person/Organisation verhandelt“. Diese Trägheit führt zum Selbstbetrug und eröffnet Ihrem Gegenüber ein besseres Ergebnis zu erzielen – aber nicht Ihnen.

Erfolgreiche Verhandlungsführer wissen hingegen, die anstehenden Gespräche aus vielen Perspektiven zu betrachten und zu analysieren.

Nicht umsonst heißt es: „Lieber vor der Verhandlung schwitzen, als in der Verhandlung bluten.“
Machen Sie Ihre Hausaufgaben, um die o. g. Denkfehler zu vermeiden. Setzen Sie sich mit Ihrem Verhandlungsgegenüber intensiv auseinander. Denken Sie zudem daran, dass auch er oder sie sich in einem Abhängigkeitsgeflecht befindet. Machen Sie sich bewusst, was Ihre beste Alternative zu einer ausgehandelten Vereinbarung sein kann und wo Ihr Walk-away liegt – also der Punkt, an dem Sie den Verhandlungstisch verlassen würden. Bereiten Sie für Ihre Verhandlungen auch genug Forderungen vor (Daumenregel: Unter zehn Forderungen gehen Sie besser nicht in die Verhandlung) und hoffen Sie nicht, dass Ihnen einfach irgendwelche Forderungen in der Verhandlung einfallen. Das tun sie dann unter Stress nämlich nicht.

Sollten Sie nicht allein verhandeln, stellen Sie ein Team auf und besprechen Sie Aufgaben und Regeln.

Und denken Sie immer daran: „Keine Vorbereitung ist auch eine Vorbereitung – die Vorbereitung zur Niederlage!“

Und das können Sie vermeiden.


1Vgl. Heuer, Jr., Richards J.: Psychology of Intelligence Analysis, Center for the Study of Intelligence, 1999, S. 118 f.
2Deepak Malhotra und Max H. Bazerman: Psychological Influence in Negotiation: An Introduction Long Overdue, in: Journal of Management (JOM), Volume 34, Issue 3, June 2008. https://doi.org/10.1177/01492063083160
3Dorison, Charles A., Ke Wang, Vaughan W. Rees, Ichiro Kawachi, Keith M. M. Ericson und Jennifer S. Lerner: Sadness, but Not All Negative Emotions, Heightens Addictive Substance Use, in: Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (Dezember 2019).
4Bishop,Michael A. & Trout, J. D.: Epistemology and the Psychology of Human Judgment, in: Oxford University Press, New York 2004.



Thorsten Hofmann, C4 Center for Negotiation

Thorsten Hofmann ist Lehrbeauftragter für wirtschaftliches und politisches Verhandlungsmanagement und Krisenkommunikation an der Quadriga Hochschule Berlin. Er leitet das C4 Center for Negotiation.

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