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Brinkmanship hoch zwei

In der politischen Auseinandersetzung mit Nordkorea bedienen sich US-Präsident Donald Trump und das Regime von Kim Jong-un einer altbekannten Rhetorik und wecken damit Erinnerungen an den Herbst 1962 – die Zeit der Kubakrise. Trump lässt die Brinkmanship-Theorie neu aufleben und die Folgen sind schwer voraussehbar. Daraus ergeben sich unweigerlich Gefahren.                                                           

Der Nobelpreisträger und Harvard Professor Thomas Schelling schrieb in seinem Buch “The Strategy of Conflict” von einer kleinen schwarzen Box. Schelling nutzte dieses Beispiel, um eine Form der Spieltheorie zu illustrieren, die sich unter dem Namen „Brinkmanship“ in der Wissenschaft etabliert hat. Mit der „little black box“ beschreibt Schelling ein imaginäres Szenario:

“I should have a little black box that contains a roulette wheel and a device that will detonate in a way that unquestionably provokes total war. I then set this little box down, tell the Russians that I have set it going so that once a day the roulette wheel will spin with a given probability … that, on any day, the little box will provoke total war. I tell them … that the little box will keep running until my demands have been complied with and that there is nothing I can do to stop it.” (Schelling, 1960, S. 197 f.)

Schelling zeigt damit die wesentliche Komponente der Brinkmanship-Theorie auf: das bewusste Herbeiführen eines Risikos, das für den Gegner so untragbar und mit hohen Schäden verbunden erscheint und in einem Zurückweichen endet. Dieses Spiel ist äußerst riskant und kann vor allem bei fehlendem Diplomatiegeschick verheerende Folgen haben.

Jene Form der Spieltheorie erlangte im Oktober 1962 traurige Berühmtheit, als die USA und Russland im Zuge der Kubakrise die Welt an den Rand eines Atomkriegs trieb. Nur knapp schrammten beide Supermächte an einer Katastrophe vorbei. Der damalige US-Präsident Kennedy ging bis aufs äußerste, um die sowjetische Stationierung von Atomwaffen auf Kuba zu verhindern. Das Kalkül Kennedys war gewagt, denn nach Verhängung einer Seeblockade gegen sowjetische Schiffe drohte Washington Moskau offen mit dem Risiko eines Atomkriegs. Kennedy-Berater ließen streuen, dass er wegen seiner Rückenbeschwerden starke Schmerzmedikamente einnimmt, deren Nebenwirkungen auch aggressives Verhalten sein können. Kennedys Kalkül zahlte sich aus, denn dem russischen Präsidenten Chruschtschow wurde es zu gefährlich. Ein dritter Weltkrieg konnte abgewendet werden.

Trump ist ein Meister im Bluffen – die „Fire and Fury-Strategie“

Der aktuelle US-Präsident Donald Trump hat nun in Nordkorea einen neuen alten Feind ausgemacht und kontert in üblicher Angriffsrhetorik auf Provokationen aus Pjöngjang. Zuletzt insbesondere mit Blick auf den Umgang mit der Insel Guam im Südpazifik. Trumps Drohung, mit „Fire and Fury“ einer möglichen Attacke aus Nordkorea gegenzuhalten illustriert eine Variante der Brinkmanship-Theorie, die eng mit dem Charakter und der Person verknüpft ist. Trumps Vorliebe für Extrempositionen und zuletzt deutliche Drohungen mit dem Einsatz militärischer Maßnahmen gegen Nordkorea können durchaus strategisch motiviert sein. Mit seiner offensichtlichen Bereitschaft bis ans Äußere zu gehen, versucht Trump seine Gegenspieler zum Nachgeben zu bringen. Deutlich wurde dies wenige Monate nach seinem Amtsantritt beim US-Raketenangriff in Syrien als Reaktion auf den Giftgasangriff des Assad-Regimes auf den Ort Chan Schaichun. Trump hatte Giftgasangriffe als „rote Linie“ definiert, die nicht überschritten werden dürfe. Obwohl Legitimation und Sinn des Angriffs höchst umstritten waren, reagierte Trump prompt und gänzlich anders als sein Amtsvorgänger Obama, der auch schon „die rote Linie“ benannt hatte, deren Überschreiten allerdings nicht sanktionierte. Trump hingegen gab direkt den Befehl, Marschflugkörper auf einen syrischen Militärstützpunkt abzufeuern und versetzte die Welt in Aufregung.

Das bisher gezeigte Verhalten des US-Präsidenten macht ihn auch für das Regime in Pjöngjang unkalkulierbar, welches sich selbst gerne der Brinkmanship-Theorie bedient, indem es Machthaber Kim Jong-un als Unkalkulierbaren darstellt. Hier trifft also eine doppelte Anwendung der Brinkmanship-Theorie aufeinander. Die Frage ist, wer wirkt in den Augen des Gegenübers „unkalkulierbarer“?

Eine Reaktion ist in der aktuellen Nordkorea-Problematik schon einmal ersichtlich: das Regime in Pjöngjang hat sich vorerst zurückgezogen und von einem Militärschlag Abstand genommen. Zu groß erscheint die Gefahr, dass eine US-amerikanische Gegenreaktion unter der Führung Trumps zu einem hohen Schaden für den eigenen Staat führen könnte. Erinnerungen an die Kuba-Krise werden wach. Trump poltert mit offensiver Drohungsrhetorik und Pjöngjang zieht sich zurück. Doch es wäre fatal und leichtgläubig dieses Signal als Erfolg der Politik Donald Trumps zu werten, denn das Problem liegt nicht nur in einem selbstbewussten und diplomatisch ungeschickt agierenden US-Präsidenten.

Fazit: Trump fehlt das diplomatische Feingefühl

Trump ist alles andere als ein souveräner Diplomat und genau das macht ihn in bestimmten Situationen gefährlich und unberechenbar. Die engen Verflechtungen und Feinheiten internationaler Politik werden vom Unternehmer Trump gern übersehen. Er ist kein Rhetoriker, der mit kühlem Kopf agiert. Doch die eigentliche Schwäche kann hier als Stärke funktionieren. Das Zurückrudern von Kim Jong-un jedenfalls deutet auf einen Erfolg hin. Flankiert wird es natürlich durch die Erhöhung der Wirtschaftssanktionen von Nordkoreas engstem Partner China.

Im Gegensatz zu Nordkorea, das seit Jahrzehnten und in regelmäßigen Abständen militärische Drohungen ausspricht, aber keine Taten folgen lässt und in der internationalen Gemeinschaft ohnehin kaum Glaubhaftigkeit ausstrahlt, ist Trumps Charakter vor allem in einem Beständig: einem absoluten Mangel an Affektkontrolle. Seine aggressiven und impulsiven Reaktionen und seinen zur Schau gestellten Narzissmus, die er in den Monaten seiner Regentschaft gezeigt hat, machen ihn unberechenbar.

Verantwortlich ist dieses Agieren jedoch keineswegs. Und die Frage bleibt offen: Trifft hier die strategische Anwendung der Brinkmanship-Theorie (Nordkorea) auf tatsächlich unkalkulierbare Realität (Trump)?

 

Weitere Anwendungsgebiete der Brinkmanship-Theorie in Verhandlungen sowie eine Vielzahl von weiteren Verhandlungstaktiken erlernen Sie in den umfangreichen Negotiation-Seminaren des Centers for Negotiation (CfN) C4 der Quadriga Hochschule.

 


Bildquellen

  • US-Präsident Donald Trump: geralt, Pixabay | CC 0 Public Domain

Thorsten Hofmann, C4 Center for Negotiation

Thorsten Hofmann ist Lehrbeauftragter für wirtschaftliches und politisches Verhandlungsmanagement und Krisenkommunikation an der Quadriga Hochschule Berlin. Er leitet das C4 Center for Negotiation.

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