Fragen – aber wie?
Wir lieben es in Verhandlungen zu reden: über uns, was wir wollen, wieso wir es wollen und noch mehr darüber, dass das, was die andere Seite möchte, Blödsinn ist. Auf der anderen Seite des Tisches sitzt allerdings die Informationsquelle, die ich nutzen kann, um mein Ergebnis zu verbessern. Ich muss die Quelle nur zum Sprudeln bringen.
Fragen dienen in Verhandlungen dazu, Ihr Gegenüber dazu zu bewegen, Ihnen etwas über sich und seine Beweggründe mitzuteilen. Und das ist unerlässlich, da eine Verhandlung ein Prozess der Informationssammlung ist.
1. Was will ich eigentlich wissen?
Sie müssen Informationen sammeln, aber die Leute hassen es, verhört zu werden. Falsche Fragen verursachen Reibung, verringern die Beziehung und verlängern den Prozess.
Fragen ist dementsprechend kein Selbstzweck. Sie sollten klar haben, was Sie eigentlich erreichen wollen und welche Fragearten hilfreich und welche gefährlich sind.
In Platons Menon-Dialog führt Sokrates eine geschickte Befragung eines jungen, ungebildeten Sklaven durch. Durch zielgerichtete Fragen bringt Sokrates den Sklaven dazu, eine komplexe geometrische Aufgabe zu lösen. Diese Aufgabe beinhaltet die Bestimmung der Seitenlänge eines Quadrats, das die doppelte Fläche eines bereits bekannten Quadrats hat. Die raffinierten Fragen leiten den Sklaven in Richtung eines tieferen Verständnisses des Problems. In diesem Zusammenhang zeigt Sokrates, wie man durch die richtige Fragetechnik einen Gesprächspartner gezielt lenken kann.
Sokrates hatte also ein klares Ziel vor Augen. Das sollten Sie ebenfalls haben.
Deshalb: Fragen Sie sich erst einmal selbst, was Sie eigentlich herausarbeiten wollen.
2. Formulieren Sie eine konkrete Frage
Fragen sind nicht gleich Fragen. Für unsere unseren Einsatz in Verhandlungen sollten Sie gezielte, aber offene Fragen stellen. Sie müssen die Fragen vorsichtig auf ein spezifisches Problem ausrichten, so wie Sie eine Waage kalibrieren oder ein Fernrohr scharf stellen.
Gut formulierte zielgenaue, aber offene Fragen haben immer mit dem Problem zu tun, dass Sie und Ihr Gesprächspartner um dasselbe konkurrieren, nämlich Ihre jeweiligen Vorstellungen durchzusetzen. Um das Problem einvernehmlich zu lösen, brauchen Sie jedoch möglichst viele Informationen von Ihrem Gegenüber. Die Frage ist also: Wie stellt man am besten zielgenaue und offene Fragen?
Die gute Nachricht ist, dass es klare Regeln gibt, um effektive Fragen zu stellen. Zunächst sollten Sie gezielte, aber offene Fragen verwenden, die keine Wörter wie „können“, „ist“, „sind“, „haben“ oder „werden“ enthalten. Diese Wörter sind typisch für geschlossene Fragen, die lediglich mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden können. Stattdessen sollten Sie gezielte offene Fragen stellen, die mit den klassischen Fragewörtern beginnen: Wer, was, wann, wo und wie? Diese Fragewörter ermutigen Ihr Gegenüber dazu, intensiver über die Thematik nachzudenken und ausführlichere Erklärungen zu liefern.
Um die Liste der Fragewörter noch weiter zu vereinfachen, ist es empfehlenswert, Ihre Fragen vorzugsweise mit „Was“ oder „Wie“ zu beginnen – ohne weitere Zusätze. Fragen, die mit „Wer“, „Wann“ und „Wo“ beginnen, führen oft nur zu oberflächlichen Fakten, während „Was“ oder „Wie“-Fragen Ihr Gegenüber dazu anregen, tiefergehende Gedankenprozesse zu durchlaufen und zusätzliche Informationen preiszugeben. Dies liegt daran, dass „Was“ und „Wie#2 wie eine Leinwand wirken, auf die Ihr Gesprächspartner seine eigenen Interpretationen projizieren kann. Dies wiederum kann Ihnen wertvolle Hinweise für Verhandlungen liefern, wie beispielsweise die Bedeutung eines Themas, die zugrunde liegenden Interessen oder die Entscheidungswege Ihrer Verhandlungspartner.
Obwohl die Begrenzung auf nur zwei Fragewörter auf den ersten Blick restriktiv erscheinen mag, ermöglicht sie Ihnen psychologisch gesehen, nahezu jede Frage präzise auf ein spezifisches Problem auszurichten.
Einige Beispiele, die ich in Verhandlungen häufiger nutze:
- Wie könnten Sie diesem Ergebnis zustimmen?
- Was finden Sie an dieser Lösung hilfreich?
- Was gefällt Ihnen an dieser Lösung/diesem Vorschlag nicht?
- Welche Gründe haben Sie zu Ihrer Entscheidung veranlasst?
- Was ist die größte Herausforderung, vor der Sie stehen?
- Wie möchten Sie, dass ich vorgehe?
- Was hat uns in diese Situation gebracht?
- Wie können wir dieses Problem lösen?
Jede Frage sollte natürlich, wie bei Sokrates, auf Ihr eigenes Ziel abgestimmt sein. Sie werden mit diesen Fragen wortreiche Erklärungen provozieren, die Ihnen nützliche Informationen liefern. Das ist der erste Schritt, der Ihr Gegenüber dazu bewegt, Ihr Problem – sowie die Hindernisse, die einer Einigung entgegenstehen – als sein eigenes zu betrachten und nach einer einvernehmlichen Lösung zu suchen. Ihrer Lösung.
3. Fragen bei schwierigen Persönlichkeiten
Es gibt allerdings auch Persönlichkeitsstile, wie z.B. „Gewissenhafte“, „Wachsame“ oder „Paranoide“ Persönlichkeiten, die fühlen sich schnell einmal ausgefragt.
Schlimmer noch, sie hassen es, überhaupt jede Art von Frage zu beantworten. Sie brauchen mindestens Stunden, um jeden Aspekt einer Antwort zu durchdenken, bevor sie reagieren, und dann über diese Antworten schlafen, bevor sie sie Ihnen mitteilen. Möchten Sie wirklich Stunden auf eine Antwort auf jede Frage warten, die Sie stellen?
Hier kann eine spezielle Fragetechnik helfen, die gleichzeitig Informationen sammelt und eine Beziehung entwickelt. Sie wird gerne als die Fähigkeit beschrieben, die „die Schleusen des Wahrheitsgesprächs freischaltet“. Auch die o.g. Persönlicheitstypologien reagieren darauf.
Wenn ihr Gegenüber in seinem Antwortverhalten
- eher knapp antwortet
- ausweicht oder
- wenn Sie vermuten, dass während einer Verhandlung „unausgesprochene negative Emotionen oder Dynamiken“ vorhanden sind
verwenden Sie einen sog. „Inflection Point“.
Mit einem „Inflection Point“ provozieren Sie eine Aussage, da Sie eine Vorannahme verwenden. Diese Vorannahme muss hierzu allerdings „neutral“ eingerahmt werden.
Deshalb benötigt ein „Inflection Point“ immer eine ähnliche, unverbindliche Struktur und beginnt z.B. mit:
- Es scheint so…
- Es klingt wie…
- Es sieht aus als ob…
„Es scheint, dass Sie einen Grund haben, zu sagen, dass… das… wenn Sie das fragen…“.
Ein „Inflection Point“ stellt eine Vorannahme in den Raum, die positiv dahin provoziert diese richtig zu stellen. Es ermöglichen Ihnen, im Moment der Frage eine ungeschminkte Antwort zu erhalten. Ebenso erhöht es tatsächlich die Beziehung zu Ihrem Gegenüber.
Ein einfaches und doch wirksames rhetorisches Werkzeug in Ihrem Verhandlungskoffer.