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Warum ein „Warum“ hilfreich sein kann

Warum ein „Warum“ hilfreich sein kann

Was das Fragen anbelangt, sind wir im Grunde alle Naturtalente. Als Kinder fragen wir immer und immer weiter nach und nehmen nichts als gegeben hin. Eine Fähigkeit, die viele von uns im Erwachsenenalter verlernt haben.

Fragen dienen in Verhandlungen dazu, Ihr Gegenüber dazu zu bewegen, Ihnen etwas über sich und seine Beweggründe mitzuteilen. Und das ist unerlässlich, da eine Verhandlung ein Prozess der Informationssammlung ist. Fragearten können vielfältig sein.

Bloß kein „Warum“!

Allerdings gibt es keinen Ort im Universum, an dem die Frage „Warum?“ den Adressaten nicht in die Defensive treibt. Ein kleiner Selbstversuch: Fragen Sie Ihre Chefin doch das nächste Mal, wenn sie Ihnen eine Aufgabe überträgt: „Warum?“ und achten Sie auf ihre Reaktion. Erweitern Sie diesen Selbstversuch auf Ihre Partner, Partnerin, Kollegen, Freunde oder Mitarbeitende. Ich verspreche Ihnen, das wird spannend! Beobachten Sie ihre Reaktionen und achten Sie einmal darauf, ob Sie nicht eine gewisse Verteidigungshaltung feststellen. Der Grund dafür ist, dass von vielen Menschen ein „Warum?“ als Frage nach ihren moralischen Werten interpretiert wird. Als „Schuldfrage“. Das wird schnell als Vorwurf aufgenommen werden. Selbst unter dem MRT (Magnetresonanztomografie), also einem medizinischen Bildgebungsverfahren, das mithilfe von starken Magnetfeldern und Radiowellen detaillierte Bilder des Gehirns erzeugt, konnte man feststellen, dass „Warum“-Fragen vermehrt im limbischen System des Gehirns zu Reaktionen führen, während andere Fragearten im kognitiven, bewussten Teil des Gehirns verarbeitet werden. Das bedeutet in einer einfachen Übersetzung, dass die Warum-Frage (negative) Emotionen auslöst. Die Folge ist, Sie bekommen keine Antwort, sondern einen Gegenangriff, und das wirkt sich negativ auf die Beziehung aus. Übertreiben Sie es also nicht mit dem kleinen Selbstversuch, ansonsten verlieren Sie Ihren Job, Partner und alle Ihre Freunde.

Wirklich nie ein „Warum“?

Es gibt jedoch einen Grund, um die Frage „Warum?“ effektiv in einer Verhandlung zu nutzen.

Die einzige Gelegenheit, bei der Sie „Warum“ erfolgreich verwenden können, ist eine Gesprächssituation, in der die Verteidigungshaltung, die dieses Wort beim Empfänger automatisch auslöst, bei diesem zu einer veränderten Betrachtungsweise in Ihrem Sinne führt. Sie besteht darin, die defensive Haltung, die sie auslöst, so zu nutzen, dass Ihr Gegenüber Ihre Position verteidigt. Das ist kein Schreibfehler! Ich meine tatsächlich „Ihre Position“, die verteidigt wird. Bei dieser Art von Frage ist noch wichtiger, dass Sie sich klarmachen, was Sie eigentlich erreichen wollen. Das grundlegende Format ist folgendes: Wenn Sie einen zweifelnden Verhandlungspartner auf Ihre Seite bringen wollen, fragen Sie ihn: „Warum würden Sie das machen?“ Sie müssen die Frage jedoch so stellen, dass die Formulierung des „das“ zu Ihren Gunsten wirkt. Ich will es Ihnen erklären. Wenn Sie es darauf anlegen, einen Kunden von einem Konkurrenten abzuwerben, könnten Sie fragen:

  • Warum sollten Sie jemals mit mir Geschäfte machen?
  • Warum sollten Sie jemals Ihren Zulieferer wechseln? Er ist hervorragend!

Bei einer anderen Vorgehensweise in einem Projekt z. B.:

  • Warum sollten Sie jemals eine andere Projektdurchführung zulassen?
  • Warum sollten Sie die Dinge plötzlich anders machen als bisher und meine Methode/unser Produkt/meine Dienstleistung ausprobieren?
  • Warum sollten Sie ausgerechnet diesem Projekt zustimmen?

Der Vielfältigkeit des Einsatzes sind keine Grenzen gesetzt. Dieses »Warum« in diesen Fragen drängt Ihren Gesprächspartner dazu, sich zu verteidigen und zu Ihren Gunsten zu handeln. Der psychologische Grund ist, dass er mit seiner Überlegung und der Antwort seine einschränkenden Gedankenprozesse selbst hinterfragt, ohne dass er sich angegriffen fühlt.

So wird die „Warum“-Frage zur hilfreichen Taktik im Koffer der Verhandlungsrhetorik.

Probieren Sie es aus!


Thorsten Hofmann, C4 Center for Negotiation

Thorsten Hofmann ist Lehrbeauftragter für wirtschaftliches und politisches Verhandlungsmanagement und Krisenkommunikation an der Quadriga Hochschule Berlin. Er leitet das C4 Center for Negotiation.

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