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EI – Soft Skill oder Superpower?

EI - Soft Skill oder Superpower?

Verhandlungen können eine echte Herausforderung sein. Egal, ob es sich um Verhandlungen in der Businesswelt, in der Politik oder beim Kauf eines Autos handelt, sie sind oft von Emotionen geprägt. Und hier kommt die Emotionale Intelligenz (EI) ins Spiel.

Wenn Sie „Emotionale Intelligenz (EI)“ hören, denken Sie vielleicht an jemanden, der nett und einfühlsam ist und immer ein offenes Ohr hat. Obwohl diese Eigenschaften wichtig sind, ist emotionale Intelligenz viel mehr.

Es ist zu kurz gedacht, wenn Menschen die Emotionale Intelligenz als „Soft Skills“ bezeichnen. Das hört sich an, als sei Emotionale Intelligenz ein flauschiger Wohlfühl-Quatsch, über den man nur beim Kaffeekränzchen mit den Freundinnen reden kann. Aber in Wirklichkeit ist Emotionale Intelligenz eine knallharte Fähigkeit, die Ihnen die Macht gibt, diejenigen am Verhandlungstisch zu entwaffnen und sogar anzugreifen, die Ihnen schaden wollen. Und wenn es darum geht, Feuer mit Feuer zu bekämpfen, ist die Emotionale Intelligenz die Geheimwaffe.

Eine Reihe von Studien haben gezeigt, dass Menschen mit hoher emotionaler Intelligenz bessere Verhandlungsergebnisse erzielen. Eine Person mit hoher emotionaler Intelligenz kann ihre eigenen Emotionen besser kontrollieren und Emotionen von anderen exakter erkennen, was in Verhandlungen von entscheidender Bedeutung ist.

Was Emotionale Intelligenz wirklich ist

Emotionale Intelligenz (EI) ist einfach ausgedrückt die Fähigkeit, eigene und fremde Gefühle zu erkennen und zu verstehen, und sie in sinnvolles, zielorientiertes und effektives Verhalten umzusetzen. EI umfasst im Wesentlichen fünf Faktoren:

  1. Selbstwahrnehmung: Sie ist der erste Schritt zur Verbesserung der emotionalen Intelligenz. Bevor man in eine Verhandlung geht, sollte man sich bewusst sein, wie man sich fühlt und welche Gedanken und Gefühle in einem vorgehen. Das hilft dabei, sich besser zu positionieren und das Verhalten der anderen Partei besser zu verstehen und verhindert mit Vorannahmen zu arbeiten.
  2. Selbstregulierung: Bedeutet, dass man in der Lage ist, seine eigenen Emotionen und Reaktionen zu kontrollieren. In einer Verhandlung kann man sich nicht immer auf den ersten Impuls verlassen. Man braucht die Fähigkeit, seine eigenen Emotionen in Schach zu halten und konstruktiv zu bleiben. Nur wer sich selbst kontrollieren kann, kann auch den Verhandlungstisch kontrollieren.
  3. Motivation: Die Fähigkeit das eigene Durchhaltevermögen zu entwickeln und aufrechtzuerhalten. Gerade bei Krisenverhandlungen oder schwierigen Verhandlungen ist Aufgeben keine Option. Sich selbst klarzumachen, dass man für Erfolg oder Misserfolg einer Verhandlung selbst verantwortlich ist und deshalb immer Möglichkeiten zur Problemlösung analysiert, Wege findet, Hindernisse umgeht und all seine Fähigkeiten auf den erfolgreichen Abschluss der Verhandlung konzentriert.
  4. Empathie: Die Fähigkeit, die Emotionen des Verhandlungsgegenübers zu erkennen und genau zu deuten. Sie hilft die Perspektiven und Gefühle der anderen Verhandlungsparteien zu verstehen, um sich in die Lage des Gegenübers hineinzuversetzen um eine gemeinsame Basis zu finden. Emotionserkennung hilft allerdings auch die Grenzen des Gegenübers auszuloten und das eigene Ergebnis zu optimieren.
  5. Sozialkompetenz: Bedeutet, dass man in der Lage ist, eine Beziehungseben aufzubauen und aufrechtzuerhalten. In einer Verhandlung bedeutet das, auch Einfluss auf die andere Verhandlungspartei zu erlangen und die eigene Glaubwürdigkeit aufzubauen. Es ist wichtig, die richtigen Worte und Ansätze zu wählen, um eine Gesprächsatmosphäre zu etablieren und strukturiert zu nutzen.

Emotionale Intelligenz besteht somit aus einer Reihe von Fähigkeiten, die es Menschen ermöglichen, Emotionen zu lesen, zu verstehen und zu beeinflussen – sowohl bei sich selbst als auch bei anderen. Es ist wie eine Superkraft, die es Ihnen ermöglicht, mit Menschen auf einer tieferen Ebene in Kontakt zu treten und selbst die schwierigsten Situationen zu meistern.

Die helle und die dunkle Seite der Macht

Natürlich ist es grundsätzlich gut, wenn man seine emotionalen Fähigkeiten einsetzt, um beziehungsorientiert und pro-sozial zu sein. Aber wie in der Star Wars Reihe, gibt es bei auch bei EI eine dunkle Seite. EI kann und wird auch auf machiavellistische Weise eingesetzt wird. Wir müssen nur einige der raffiniertesten Kriminellen der Welt anschauen – egal ob Drogen- und Kartellbosse oder Finanz- und Wirtschaftsbetrüger – viele von ihnen sind emotional unglaublich intelligent und nutzen ihre Empathie, um die Wünsche und Ängste anderer zu manipulieren und auszunutzen.

Das eine hohe emotionale Intelligenz mit erfolgreichen Verhandlungsergebnissen in Verbindung steht ist, wie oben erwähnt, wissenschaftlich belegt. Die Verwendung von Emotionale Intelligenz trägt dazu bei, eine positive Atmosphäre zu schaffen, in der die Verhandlungsparteien offen miteinander kommunizieren können. Sie hilft die Gegenpartei zu verstehen und zu analysieren als auch die eigenen Ziele durchzusetzen und die Grenzen des Gegenübers auszuloten.

Wenn wir uns nun die verschiedenen Verhandlungsansätze anschauen, wird schnell deutlich, wie wichtig die emotionale Intelligenz in Verhandlungen ist. Nehmen wir beispielsweise das „Hardball-Verhandeln“. Hier wird der Verhandlungspartner oft unter Druck gesetzt, um ihn dazu zu bringen, das Angebot anzunehmen. Eine Person mit hoher emotionaler Intelligenz ist leichter in der Lage, dem Druck standzuhalten (Selbstregulierung), die taktische Handlung zu erkennen (Empathie und Emotionserkennung) und Einfluss auf die andere Verhandlungspartei zu nehmen (Sozialkompetenz)

Fazit

Emotionale Intelligenz ist ein entscheidender Faktor für eine erfolgreiche Verhandlung. Indem man die fünf Faktoren von EI (Selbstwahrnehmung, Selbstregulierung, Motivation, Empathie und Sozialkompetenz) trainiert, kann man eine optimierte und produktive Gesprächsatmosphäre schaffen und die Verhandlung kontrollieren und bessere Ergebnisse erzielen. Wenn man sich bewusst ist, wie man sich und andere wahrnimmt, kann man das Verhalten und die Erwartungen der anderen Seite besser verstehen und Wünsche und Ängste erkennen und steuern.

Kurz gesagt: Emotionale Intelligenz ist ein mächtiges Werkzeug, das zum Guten oder zum Bösen eingesetzt werden kann. Es geht nicht nur darum, nett zu sein – es geht darum, seine emotionalen Fähigkeiten zu nutzen, um sich in der Welt zurechtzufinden, mit anderen in Kontakt zu treten und seine Ziele zu erreichen. Wenn Sie also in Verhandlungen erfolgreich sein wollen, ist es an der Zeit, an Ihrer emotionalen Intelligenz zu arbeiten.


Referenzen

  1. Harvard Law School: The Limits of Emotional Intelligence as a Negotiation Skill – https://www.pon.harvard.edu/daily/negotiation-skills-daily/the-limits-of-emotional-intelligence-as-a-negotiation-skill/
  2. Emotional Intelligence and Negotiation: The Tension between Creating and Claiming Value. (2004). FOO, Maw Der; Elfenbein, Hillary Anger; TAN, Hwee Hoon; and AIK, Voon Chuan; International Journal of Conflict Management. 15, (4), 411-429. https://ink.library.smu.edu.sg/lkcsb_research/2539
  3. Emotion regulation: affective cognitive and social consequences, J. Gross; Psychophysiology, 39 (2002), pp. 281-291 https://www.cambridge.org/core/journals/psychophysiology/article/abs/emotion-regulation-affective-cognitive-and-social-consequences/552536BD5988D0D2079A7E0CC82E1ED8
  4. Forbes: What’s Missing In Negotiation? Incorporating Emotional Intelligence Into Your Next Difficult Conversation – https://www.forbes.com/sites/kwamechristian/2022/11/28/whats-missing-in-negotiation-incorporating-emotional-intelligence-into-your-next-difficult-conversation/
  5. Importance of Emotional Intelligence in Negotiation and Conflict Resolution, Edward J. Kelly, Natalija Kaminskienė; Science Direct: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2351667416300130


Thorsten Hofmann, C4 Center for Negotiation

Thorsten Hofmann ist Lehrbeauftragter für wirtschaftliches und politisches Verhandlungsmanagement und Krisenkommunikation an der Quadriga Hochschule Berlin. Er leitet das C4 Center for Negotiation.

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