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Brexit: Risiko Mandatsklärung – Ohne Erwartungsmanagement kein Verhandlungserfolg

Das Durcheinander der Brexit-Austrittsverhandlungen zeigt eindrucksvoll, warum ein erfolgreicher Verhandlungsabschluss von einem klaren Mandat abhängt. Theresa May hat den Fehler begangen, zuerst extern mit der EU ein Ergebnis zu verhandeln und danach zu hoffen, ein internes Mandat dafür zu erhalten. Eine falsche Reihenfolge mit erheblichen Konsequenzen. Nun steht Sie vor einem Scherbenhaufen, der Europa in eine Krise stürzt und sie selbst fast das eigene Amt gekostete hätte. Und in der EU stellt man sich die Frage: Kann man mit solch einer Verhandlungspartnerin noch Ergebnisse vereinbaren, wenn nicht klar ist, welches Gewicht ihr Wort in den eigenen Reihen hat? Wie verlässlich ist eine nächste Vereinbarung? Und kann man sich überhaupt auf ihre Aussagen verlassen?

Ein „No-Deal“-Szenario wird immer wahrscheinlicher. Und die Schlagzeilen zum Brexit reißen nicht ab: Britische Supermärkte warnen vor Versorgungsengpässen, Unternehmen flüchten vor dem Brexit, tausende Firmen schieden Notfallpläne und die britische Regierung diskutiert sogar die Verhängung des Kriegsrechts, sollte es nach einem ungeordneten Austritt zu Störungen der öffentlichen Ordnung kommen.

Rückblick: Im Sommer 2016 stimmte eine Mehrheit der Briten in einem Referendum für einen Ausstieg Großbritanniens aus der EU. Am 15. Januar 2019 lehnte das Unterhaus dann das mit der EU verhandelte Ausstiegsabkommen von Premierministerin Theresa May mit einer überraschend deutlichen Mehrheit ab. Ein sich anschließendes Misstrauensvotum überlebte die Premierministerin. Nun will sie einmal mehr mit Brüssel über den Brexit-Deal verhandeln. Der 28. März 2019, exakt zwei Jahre, nachdem Theresa May den Brexit-Antrag unterschrieb, kommt jedoch unaufhaltsam näher. Die Hoffnungen auf einen geordneten Austritt und somit aus dem Dilemma, in das sich Theresa May manövriert hat, schwinden von Woche zu Woche.

Doch wie konnte es innerhalb der Austrittsverhandlungen soweit kommen?

Ohne Mandat ist jedes Verhandlungsergebnis angreifbar

Um die Misere der Brexit-Austrittsverhandlungen besser zu verstehen, hilft es, einen genauen Blick auf die vorhergegangene Mandatsklärung sowie das Erwartungsmanagement Theresa Mays in die eigene Partei und das Unterhaus zu werfen: Selbst die eigenen Unterstützer haben die Premierministerin im Regen stehen lassen und sind ihrem Verhandlungsergebnis nicht gefolgt. Vom restlichen Britischen Parlament ganz zu schweigen. Das lässt sich auch darauf zurückführen, dass die Premierministerin den Fehler begangen hat, zuerst extern mit der EU ein Ergebnis zu verhandeln, um danach zu hoffen, ein internes Mandat zu bekommen. Zu einer erfolgreichen Mandatsklärung gehört jedoch auch, dass das interne Erwartungs- und Stakeholdermanagement zuvor genau abgesteckt wird. Die Grenzen der Verhandlung müssen von Beginn an für die eigene Organisation oder Partei klar sein. Die Erwartungen an das Ergebnis von Beginn an gemanagt werden. Nur so versammelt man alle hinter einem zukünftigen Verhandlungsergebnis. Wird dies versäumt, rächt es sich bei der Präsentation der Ergebnisse. Diese werden immer als schlecht bewertet. Verlierer ist der Verhandlungsführer.

Was lernt die britische Verhandlungsführung aus der Krise?

Kein Mandat abgestimmt zu haben ist schlecht! Ein widersprüchliches Mandat zu haben, nicht besser!
Das Unterhaus hat nun am 30. Januar 19 drei relevante Beschlüsse gefasst:

  • Es hat Theresa May beauftragt, noch einmal mit der EU zu verhandeln.
  • Es hat May außerdem mandatiert, die Irland-Frage, den „Backstop“, neu zu verhandeln.
  • Und es hat entschieden, dass ein Brexit ohne Austrittsvertrag nicht erwünscht ist.

Aus der Verhandlungsperspektive greifen diese Beschlüsse nur nicht ineinander:

  • Für den Backstop galt: Wenn Europa sich in dieser Frage nicht bewegt, droht London mit dem No-Deal-Brexit.
  • Das Britische Parlament hat gleichzeitig deutlich gemacht: Das will keiner, das müssen wir verhindern. Und so signalisiert das Parlament nach Brüssel:
  • Wenn die EU sich beim Backstop nicht bewegt, stimmt London eher dem vorliegenden Vertrag mit einem Backstop zu, als dass es ohne Vertrag in den Brexit geht.

Am Ende hat Theresa May zwar nun endlich ein Mandat unter Zeitdruck erhalten, jedoch hat das Unterhaus durch seine Zerrissenheit die Verhandlungsposition von May enorm geschwächt.

Ein in der Vergangenheit definiertes klares Mandat und ein dauerhaftes Erwartungsmanagement hätte diese Situation verhindern können. Nun wird es für Theresa May schwierig!

Bildquellen

  • flag: Etereuti, Pixabay  | CC 0 Public Domain

Thorsten Hofmann, C4 Center for Negotiation

Thorsten Hofmann ist Lehrbeauftragter für wirtschaftliches und politisches Verhandlungsmanagement und Krisenkommunikation an der Quadriga Hochschule Berlin. Er leitet das C4 Center for Negotiation.

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