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Der tiefe Graben. Der Tarifkonflikt bei der Lufthansa.

„Lieber ein paar Tage ohne Lufthansa als irgendwann ganz ohne Lufthansa“ – Mit dieser Aussage untermauerte Lufthansa-Chef Carsten Spohr Mitte Dezember nochmals seine Entschlossenheit im erneut schwelenden Tarifkonflikt zwischen Piloten und der Airline. Doch der Streit hält weiter an.

Spohr blieb bis heute bei seiner Linie und macht sich nicht erpressbar. Zugleich versuchte der CEO damit öffentlichkeitswirksam vor allem eines zu zeigen: man lässt sich nicht unterkriegen und hat auch vor drohenden Streiks keine Angst. Dies machte der Lufthansa Konzern ebenfalls unmittelbar vor Beginn der Schlichtungsverfahrens Anfang Januar deutlich und warnte die Piloten vor einem zu hohen Verhandlungsabschluss. Zusätzliche Millionenkosten würden dazu führen, dass Investitionen in neue Flugzeuge in andere Teilgesellschaften des Konzerns gelenkt werden würden – und damit weg vom eigentlichen Ziel der Piloten.

Aus Verhandlungsperspektive hat der Konzern damit die Marschroute vorgegeben und klar untermauert, nicht nachzugeben – eine deutliche Ansage und Warnung zugleich. Wenn Lufthansa den Gehaltsforderungen der Piloten nachgibt, würde die Airline, und somit auch die Piloten, im erbitterten Kampf um die Wettbewerbsfähigkeit in der Luft verlieren. Eine Zukunft, die beide Seiten nicht wollen.

Die Pilotenvereinigung Cockpit indes zeigte sich unbeeindruckt und bewertete die Aussagen schlicht als einen Versuch der Einschüchterung. Inwieweit sich diese Aussage nach dem gerade beendeten Schlichtungsverfahren halten lässt, bleibt unklar. Denn die Schlichtung endete ohne Ergebnis. Ein Worst Case für die beteiligten Verhandlungspartner. Schlichter und Ex-Diplomat Gunter Pleuger bleiben nun wenige Tage Zeit, um bis zum 10. Februar einen Vorschlag zu erarbeiten, mit dem sich beide Verhandlungspartner anfreunden können.

Verhärtete Fronten und ein Imageproblem

Die Fronten zwischen Lufthansa und der Pilotengewerkschaft Cockpit indes bleiben mehr als verhärtet. Sie sind nicht nur verhärtet. Sie gleichen inzwischen einer Schlammschlacht. Beispielhaft ließe sich die jüngste Ankündigung der Lufthansa, zukünftig in den Bereichen Catering und Wartung mit Wettbewerber Etihad zusammenzuarbeiten, anführen. Für die Gewerkschaft Cockpit kam diese Ankündigung einer Drohung gleich, denn sie wurde wohlgemerkt noch vor offiziellem Ende der Schlichtung getätigt.

Die seit Jahren immer wieder auch in die Öffentlichkeit getragenen Auseinandersetzungen zwischen Piloten und dem sich in einem international hart umkämpften Wettbewerb befindlichen Konzern haben bislang nicht zur Beruhigung beigetragen, sondern die Lage eher verschärft. Das Problem der Gewerkschaft Cockpit ist dabei allerdings der schwindende Rückhalt in der Öffentlichkeit. Während diese in der Regel immer hinter dem Arbeitnehmer steht, ist diese Unterstützung im Falle der Piloten erodiert. Kurz: Die hochbezahlten Piloten der ehrwürdigen Airline besitzen keinen öffentlichen Kredit mehr. Egal ob Vielflieger oder Urlauber – Verständnis für die Forderungen der Flugkapitäne gibt es kaum und das, obwohl der der Pilotenberuf eigentlich mit einem hohen öffentlichen Vertrauensvorschuss verbunden ist.

Im Raum stehen unter anderem Forderungen von Lohnerhöhungen um 22 Prozent über einen Zeitraum von fünf Jahren, eine stärkeres Mitsprachrecht in die Konzernpolitik, vor allem mit Blick auf die Billigtochter Eurowings sowie juristische Streiksicherheiten und langfristige Arbeitsverträge. Insbesondere der Punkt der Lohnerhöhungen löst in der gesellschaftlichen Diskussion Unverständnis aus. Dieses Unverständnis wurde mit Beginn der letzten und 14. Streikrunde im November 2016 nochmals sehr deutlich gestärkt. Mit einem sechstägigen Streik entstand dem Unternehmen Lufthansa ein Schaden von 100 Millionen Euro. Insgesamt fielen 4450 Flüge aus. Betroffen waren davon mehr als eine halbe Million Passagiere. Das Verständnis der betroffenen Passagiere war dahin. Der Reputationsschaden für die Piloten irreparabel.

Fehler auf der Kommunikationsebene

Verhandlungstaktisch gesehen haben die Piloten Fehler begangen, indem sie ihre Streikmöglichkeiten in den letzten Jahren überstrapaziert und durch überzogene Gehaltsforderungen leichtfertig den öffentlichen Rückhalt verspielt haben. Damit manövrierte sich die Pilotenvereinigung Cockpit in eine elitäre Position. Der ohnehin schon bestehende Graben zwischen den Lufthansa-Piloten und der öffentlichen Meinung wurde tiefer. Dabei wären einige der Kernanliegen durchaus gut öffentlich positionierbar gewesen. Dazu zählt zum Beispiel der vehemente Einsatz der Altvertrags-Piloten für ihre gehaltstechnisch schlechter dastehenden Kollegen der Tochtergesellschaft Eurowings, mit der CEO Spohr das angeschlagene und nicht gerade lukrative Netz der Kurz- und Mittelstrecke neu beleben will. Die Piloten der Lufthansa wollen neben einer deutlichen Anhebung der Gehälter auch für ihre Kollegen bei den Tochtergesellschaften bessere Konditionen aushandeln. Dieses Argument hätte sich öffentlichkeitswirksam sehr gut positionieren lassen, um Rückhalt zu schaffen und eine Verständnisbasis zu etablieren. Trotz der elitären Gehaltsposition der Piloten hätte hier in Ansätzen das David gegen Goliath Prinzip gegriffen. Der Einsatz für vermeintlich schwächere – wenn auch an diesem Beispiel aus einer ohnehin schon lukrativen Gehaltssituation heraus – wird von der Öffentlichkeit und gerade in Verhandlungsprozessen nicht nur toleriert, sondern auch gestützt. Eine andere Deutung des Geschehens wäre möglich gewesen.

Fazit

Das Auslassen dieser Positionierungsoption der Vereinigung Cockpit illustriert hierbei auf ausgesprochen markante Art und Weise den strategischen Verhandlungsfehler und dessen Folgen – noch bevor beide Parteien überhaupt an einem Tisch gesessen und sich über ihre weiteren Positionen verständigt hatten. Zwar ist der Pilotenberuf öffentlich hoch angesehen und höhere Gehälter werden Personen in entsprechenden, verantwortungsvollen Positionen generell auch zugestanden, doch die Message führte gänzlich in eine falsche Richtung. Forderungen von 22 Prozent mehr Gehalt bei bestehenden, durchschnittlichen Jahresgehältern jenseits von 80.000 Euro bewirken eine entgegengesetzte öffentliche Meinung. Am Beispiel der Verhandlungen zwischen Lufthansa und der Gewerkschaft Cockpit lässt sich sehr gut nachvollziehen wie Kunden begannen, den Konzern und insbesondere den charismatisch wirkenden Chef Carsten Spohr zu stützen. Das Reputationspendel schlug in Richtung des Kranichs aus. Dadurch bietet sich dem Konzernvorstand die Option, öffentliches Verständnis für notwendige Umstrukturierungen zu schaffen – ein Verhandlungsvorteil. Nicht zu unterschätzen ist zudem der schwindende interne Rückhalt für die Piloten. Kommunikation in der Verhandlung ermöglicht es die Machtoptionen zu verändern. Dabei kann das Pendel von Sympathieträger auch schnell zum Querulanten umkippen. Die Folgen sind Machtverlust am Verhandlungstisch.

Ende November 2016 kam es dann zusätzlich noch vor der Unternehmenszentrale am Frankfurter Flughafen zu einer Demonstration von etwa 400 Mitarbeitern aus anderen Unternehmensbereichen. Laut Betriebsrat gebe es eine schweigende Mehrheit im Bereich Technik und Cargo, die sich gegen das Agieren der Piloten wehrten und die Forderungen für überzogen halten – eine weitere Trumpfkarte für den Konzern am Verhandlungstisch. Ein außergewöhnlicher Vorgang, der einen weiteren dunklen Schatten auf die Reputation der Piloten wirft. Die Ausgangsbasis für die Piloten ist damit geschwächt. Die Kommunikationskarte, um Druck aus Öffentlichkeit und Politik für die eigenen Forderungen zu erzeugen, wurde schlecht gespielt.

Es bleibt abzuwarten, ob der einberufene Schlichter und Ex-UN Botschafter Gunter Pleuger ein Konzept vorlegen kann, in dem sich die Interessen der zerstrittenen Parteien wiederfinden. Sollte ihm dies gelingen, hätte das Schlichtungsverfahren seinen Zweck erfüllt. Dies setzt allerdings auch voraus, dass sowohl Lufthansa als auch Cockpit öffentlich den bekannten Gang runter schalten und sich nicht äußern, solange kein Konzept vorliegt. Ob beide Parteien diese Ausdauer an den Tag legen können, bleibt abzuwarten.

 


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Bildquellen

  • Flugzeug: IppikiOokam, Pixabay | CC 0 Public Domain

Bildquellen

  • Der tiefe Graben. Der Tarifkonflikt bei der Lufthansa.: IppikiOokami, Pixabay | CC 0 Public Domain

Thorsten Hofmann, C4 Center for Negotiation

Thorsten Hofmann ist Lehrbeauftragter für wirtschaftliches und politisches Verhandlungsmanagement und Krisenkommunikation an der Quadriga Hochschule Berlin. Er leitet das C4 Center for Negotiation.

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