Verhandlungsprofi ordnet Trumps kontroverse Pläne für den Ukraine-Krieg ein
Donald Trump will den Ukraine-Krieg neu verhandeln – schnell, pragmatisch und anders als Biden und Scholz. Doch birgt sein Ansatz echte Chancen oder verstärkt er die Konflikte? Verhandlungsprofi Thorsten Hofmann erklärt Trumps Strategie und zeigt mögliche Folgen auf.
Donald Trump bereitet sich darauf vor, erneut die Geschicke der USA zu lenken – und mit ihnen auch den Verlauf des Ukraine-Kriegs. Mit seinem Fokus auf schnellen Ergebnissen und minimalen Verpflichtungen für die USA verfolgt er eine pragmatische, wenn auch kontroverse Strategie.
Im Kern geht es ihm darum, Frieden zu erreichen, die Belastung für die USA zu reduzieren und gleichzeitig seinen Ruf als effektiver Verhandler zu stärken. Doch wie könnte seine Vorgehensweise aussehen, und welche Überlegungen stehen dahinter?
Territoriale Zugeständnisse
Trumps Ansatz basiert darauf, die Ukraine zu bedeutenden Zugeständnissen zu bewegen. Dazu gehört, dass sie besetzte Gebiete wie die Krim oder Teile von Donezk und Luhansk an Russland abtritt. Im Gegenzug könnte die Ukraine Sicherheitsgarantien erhalten, ohne jedoch der Nato beizutreten – eine zentrale Forderung Russlands. Dies würde die Spannungen reduzieren und könnte eine Verhandlungslösung ermöglichen, die Donald Trump als Erfolg präsentieren kann.
Ein weiterer Aspekt seiner Strategie ist der gezielte Einsatz von Druck. Trump könnte militärische Unterstützung für die Ukraine zurückhalten, um diese an den Verhandlungstisch zu bringen. Gleichzeitig könnte er Russland durch verstärkte diplomatische und wirtschaftliche Maßnahmen zur Zusammenarbeit drängen. Dieser Ansatz, eine Kombination aus „Zuckerbrot und Peitsche“, soll beide Seiten zu Kompromissen bewegen.
Darüber hinaus plant Trump, die Verantwortung stärker auf Europa zu verlagern. Vorschläge wie der Einsatz europäischer Truppen in einer entmilitarisierten Zone in der Ukraine könnten dazu dienen, die direkte Rolle der USA zu reduzieren und gleichzeitig die Sicherheitsinteressen der Ukraine zu wahren. Die Einbindung eines erfahrenen Sondergesandten wie Generalleutnant Keith Kellogg, der die Verhandlungen moderieren soll, unterstreicht Trumps Absicht, die Verhandlungen zu professionalisieren und effektiv voranzutreiben.
Realpolitik mit Risiken
Trumps Ansatz spiegelt eine Realpolitik wider, die sich von idealistischen Prinzipien löst und stattdessen auf pragmatische Lösungen setzt. Im Kern basiert seine Strategie auf folgenden Überlegungen:
- Kostenminimierung: Trump möchte die militärischen und finanziellen Verpflichtungen der USA in internationalen Konflikten reduzieren. Seine Botschaft an die Verbündeten ist klar: „Europa soll mehr Verantwortung übernehmen.“
- Schnelle Ergebnisse: Anstatt langwierige Verhandlungen zu führen, bevorzugt Trump „Deals“, die kurzfristige Stabilität gewährleisten und es ihm ermöglichen sich als Gewinner zu inszenieren, auch wenn sie langfristige Risiken bergen.
- Innenpolitischer Erfolg: Ein Abschluss des Ukraine-Kriegs würde Trump in den USA als fähigen Verhandler und Dealmaker darstellen und seine politische Position stärken.
Ein entscheidender Faktor in Trumps Überlegungen ist jedoch sein persönlicher Ehrgeiz. Trump will nicht nur Frieden erreichen, sondern vor allem gewinnen – politisch und symbolisch. Wenn man ihm die bisher verfolgte Strategie der Biden-Regierung und ihrer Verbündeten, insbesondere Deutschlands, als die gescheiterte „Biden-Scholz-Strategie“ präsentiert, könnte das sein Handeln maßgeblich beeinflussen.
Trump hat sich stets als Antithese zu seinen Vorgängern inszeniert. Eine Strategie, die er als „Verliereransatz“ wahrnimmt, wird er wahrscheinlich bewusst ablehnen, um sich selbst als denjenigen zu positionieren, der das Problem auf völlig neue Weise löst.
Dieser Drang, sich von der Vergangenheit abzugrenzen, birgt jedoch Risiken.
- Langfristige Instabilität: Ein Kompromiss, der Russlands Gebietsgewinne legitimiert, könnte als Schwäche des Westens interpretiert werden und weitere Aggressionen fördern. Die Ukraine könnte sich zudem von den USA und der Nato entfremdet fühlen.
- Widerstand internationaler Partner: Europäische Verbündete und die Nato könnten eine Strategie kritisieren, die auf territoriale Zugeständnisse setzt. Die Glaubwürdigkeit der USA als Schutzmacht könnte Schaden nehmen.
- Stärkung Russlands: Ein erzwungener „Frieden“ könnte Russland als diplomatischen Sieg wahrgenommen werden und seine geopolitischen Ambitionen weiter anheizen.
Langfristige Folgen
Trotzdem könnte Trumps pragmatische Herangehensweise einen entscheidenden Vorteil haben: Sie durchbricht die Blockade, die seit Monaten besteht. Indem er das Narrativ der gescheiterten Strategie der Vorgänger übernimmt und gleichzeitig alternative Lösungen vorstellt, könnte er Bewegung in den Konflikt bringen.
Ob diese Bewegung jedoch in einem stabilen Frieden mündet oder die Konflikte weiter anheizt, bleibt ungewiss. Sicher ist nur, dass Trump seinen Ansatz so gestalten wird, dass er am Ende als Gewinner dasteht – in den Augen seiner Wähler und der Welt.
Dieses Interview mit Verhandlungsexperte Thorsten Hofmann erschien im „Foucs online“ am 09.12.2024 und ist hier abzurufen.