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Profi- und Amateurteams – Regeln für die Teamaufstellung

Spätestens seit dem Start der Fußball-WM in Russland ist das Fußballfieber weltweit wieder ausgebrochen. Gebannt verfolgen Millionen von Menschen die Spielzüge ihrer Favoriten, jubeln und leiden mit ihrer Mannschaft. Welche Mannschaft sich letztlich durchsetzen kann, entscheidet nicht nur Fitness und Technik einzelner Spieler, sondern vor allem auch die Stärke, die mentale Einstellung und der Zusammenhalt des gesamten Teams. Von der Fußball-WM lernen heißt siegen lernen. Der Star ist die Mannschaft und jeder weiß, was er wann und wo zu tun und zu lassen hat. Eine perfekt eingespielte Mannschaft mit einer klaren Zielsetzung und Einstellung hat die Qualität selbst Teams mit einem oder zwei Superstars zu schlagen, bei denen die Abstimmung aber nicht funktioniert. Jeder kennt seine Zuständigkeiten und seinen Raum. Warum ist das bei vielen Verhandlungsteams genau nicht der Fall?

In einem gut abgestimmten Verhandlungsteam sollte auch jeder wissen, wer was wann zu tun und auch zu lassen hat. Was allerdings viel häufiger zu beobachten ist, sind nicht abgestimmte Verhandlungsteams. Ein nicht abgestimmtes Verhandlungsteam reagiert oft wie eine Gruppe von kleinen Kindern, denen man einen Ball zuwirft: Alle rennen gleichzeitig los und jeder versucht, an den Ball heranzukommen. Bei schlecht aufgestellten Verhandlungsteams möchte jeder zu allem etwas sagen, und der eigentliche Verhandlungsführer, wenn es ihn denn gibt, verliert dadurch permanent seinen roten Faden. Das Ego Einzelner tötet die Disziplin des gemeinsamen Vorhabens. Und am Ende bleibt das Gesamtergebnis auf der Strecke. Nichts schadet einer Verhandlung mehr, als wenn dem Verhandlungsführer jemand aus den eigenen Reihen plötzlich ins Wort fällt. Solche gutgemeinten Interventionen haben schon in so mancher Verhandlung einen Vorteil in einen Nachteil verwandelt. Ein Themenstrang wird nicht festgemacht oder ein unerwünschtes Ergebnis wird plötzlich detailliert besprochen. Oder es werden Themen angesprochen, die man aus der Verhandlung eigentlich heraushalten wollte. Unter solchen Bedingungen lässt sich kein gutes Ergebnis erzielen.

Noch schädlicher ist es, wenn aus dem eigenen Team Widerspruch ertönt und dieser am Verhandlungstisch für alle deutlich wird. Wenn Teamarbeit in der Verhandlung vorgesehen ist, müssen Sie mit Ihren Mitstreitern genau absprechen, was wann angesprochen wird und wer welche Rollen und Aufgaben übernimmt.

Weil es in der Verhandlung viel auszuführen gibt, was besser auf mehrere Schultern verteilt ist, sollten auch alle Köpfe zwischen diesen Schultern wissen, was sie tragen müssen und dass alle im Team das Gleiche zu tragen haben. So entstehen auch ein Teamgeist und der gemeinsame Wille zum Sieg.

Ich möchte, dass Ihr Teamspiel WM-würdig ist und nicht auf den Bolzplatz gehört (auch wenn das ein oder andere Team sich bei der WM Bolzplatzwürdig leider auch gezeigt hat und damit auch schnell das Teilnehmerfeld der professionellen Teams verlassen musst). In der Bundesliga, der Champions League oder der WM weiß jeder Spieler, wo sein Platz ist. Jeder kennt seine Aufgabe. Er weiß nicht nur, ob er im Angriff oder in der Verteidigung spielt, er weiß auch, welchen Raum er einzunehmen hat und ab wann ein Mitspieler übernimmt.

Diese Klarheit gehört auch in ein Verhandlungsteam. Hierzu gehört ein Konzept. Ein Konzept wie es Spezialeinheiten genauso nutzen wie gut aufgestellte Teams in Wirtschafts- und politischen Verhandlungen. Dieses Konzept sieht Minimum drei Positionen vor: zwei am Verhandlungstisch (weshalb es ab dem zweiten Teilnehmer auf einer Seite funktioniert) und eine außerhalb des Verhandlungstisches. Die beiden Positionen am Verhandlungstisch bezeichnet man als Verhandlungsführung und Verhandlungssteuerung. Außen vor bleibt der eigentliche letzte Entscheider, der dem Team das Mandat erteilt. Er wird sich auch nicht in die Verhandlung hineinziehen lassen. Dies würde die Verhandlungsmacht seines Teams schwächen und zusätzlich die eigenen Leute demotivieren. Natürlich ist dieses Konzept aufstock- und erweiterbar. Man kann jederzeit weitere Personen integrieren: Protokollanten, Experten (Juristen, Ökonomen, Techniker, etc.), Beobachter oder auch Profiler, die in größeren Verhandlungen eine zunehmende Rolle spielen. Dennoch ist immer eine Grundregel zu beachten: Masse ist nicht gleich Klasse. Denn jeder Beteiligte ist auch eine potentielle Fehlerquelle. Eine akribische Vorbereitung, um geschlossen in die Verhandlung zu gehen, dient somit auch dem Ziel, Fehlerquellen zu minimieren. Nicht zuletzt deshalb ist es extrem wichtig, dass am Verhandlungstisch strenge Disziplin herrscht.

Dazu gehört, dass geklärt ist, wer spricht und wer das Wort erteilt. Denn nicht jeder kann reden, wann es ihm passt. Es darf auch nicht wild durcheinandergeredet werden. Das Ego steht hinter dem Teamgedanken zurück. Das Wort erteilt der Verhandlungssteuernde. Um gleich ein Missverständnis auszuschließen: Der Verhandlungsführer muss nicht der Oberste in der Teamhierarchie sein. Das ist vielmehr der Verhandlungssteuernde. Dieser führt in die Verhandlung ein, begrüßt die Anwesenden und stellt die Verhandlungsagenda vor, ehe er an den Verhandlungsführer übergibt. Diese Übergabe muss nicht formell erfolgen, sondern kann auch fließend im Gespräch vonstattengehen. Obwohl der Verhandlungsführer in der Hierarchie unter dem Verhandlungssteuernden steht, hat er den größten Gesprächsanteil. Er führt mit Fragen die Verhandlung und bringt peu à peu die Forderungen ein. Zu seinen Aufgaben in der Verhandlung  gehört es, durch genaues Herausarbeiten der genutzten Begrifflichkeiten die Positionen zu hinterfragen und die Motive der Gegenseite zu analysieren. Er regelt auch, wer aus den eigenen Reihen zusätzlich sprechen darf.

Der Verhandlungsführer hat den roten Faden im Kopf und weiß, was wann zu tun ist. In Absprache mit seinem Verhandlungssteuernden strukturiert er den Prozess, steuert konsequent durch die Verhandlung und achtet dabei im Wesentlichen auf zwei erfolgskritische Punkte: Begriffe und Motive, die bereits besprochen wurden, zusammenzufassen und festzumachen. Seine Aufgabe ist es, während des gesamten Verhandlungsprozesses weiter zu analysieren und mit seinen Fragen die Verhandlung zu steuern. Er hat die Strategien und Taktiken für die gesamte Verhandlungsrunde im Auge zu behalten. Bildlich gesprochen: Er sieht den Wald, für die einzelnen Bäume hat er seine Fachleute. Er sollte auch unter Druck in der Verhandlung seine Ruhe bewahren können, wobei man ihm aus taktischen Gründen auch eine Flexibilität im Verhalten zubilligen kann. Wenn es taktisch notwendig erscheint, kann er auch Emotionen zeigen. Aber Achtung: Solche Verhaltensveränderungen bergen auch das Risiko, die Beziehungsebene nachhaltig zu belasten. Denken Sie immer daran, dass der Gegner konsequent und kontrolliert durch die Verhandlung geführt, aber auch mit Empathie behandelt werden soll.

Obwohl sich die Aufgaben der Verhandlungsführung und der Verhandlungssteuerung voneinander unterscheiden, gibt es Tätigkeiten, die bewusst gedoppelt sind. Der Verhandlungssteuernde kann auch Aufgaben übernehmen, die eigentlich in den Bereich des Verhandlungsführers fallen – aber nur dann, wenn dieser sie im Eifer des Gefechts übersehen hat. Sollten etwa Begrifflichkeiten, Motivlagen oder Verhandlungsergebnisse übersehen oder falsch zusammengefasst worden sein, so ist es Sache des Verhandlungssteuernden, dies zu korrigieren. In seiner übergeordneten Rolle, bei der er nicht ständig im Dialog agiert, hat er eher die Möglichkeit zuzuhören und zu beobachten. Er unterstützt dann den Verhandlungsführer und macht dessen Gesprächsergebnisse fest. Sollten Widersprüche in den Aussagen des Verhandlungsgegenübers auftauchen, so ist es ebenfalls an ihm, diese anzusprechen.

Während der Verhandlung sollte er die gemeinsame Strategie im Auge behalten. Möchte man eher druckvoll in die Verhandlung gehen, oder ist es ein Spiel auf Zeit? Gibt es bestimmte Punkte, die man nach einer bestimmten Zeit bewusst aufgeben will? Der Verhandlungssteuernde achtet auf die besprochenen Taktiken und behält immer die Agenda und die darin fixierten Zeiträume im Auge. Die für die einzelnen Agendapunkte vorgesehenen Zeiträume müssen nicht allen offenbart werden, aber der Verhandlungssteuernde muss in seinem Team sicherstellen, dass für die Themen, die ihm wichtig sind, die entsprechenden Zeiträume ausgeschöpft und eingehalten werden. Er achtet auch darauf, dass die Verhandlungsdisziplin im Team eingehalten wird. Stellt er während der Verhandlung fest, dass ein Teammitglied außerhalb der zugewiesenen Redeeinheiten das Wort ergreift oder sich emotional nicht unter Kontrolle hat, muss er dies in einer Pause ansprechen. Im Extremfall muss der Betreffende ausgewechselt werden.

Zu den Aufgaben des Verhandlungssteuernden gehört es auch, das Gemeinschaftliche der Verhandlung immer wieder herauszustellen: alles, was bereits erreicht wurde und was gut geklappt hat. Es ist auch an ihm, Pausen anzuberaumen, wenn er merkt, dass es gerade hoch hergeht und die Emotionen die Oberhand gewinnen. Dabei hat er immer die Agenda und die Zeit im Auge. Er selbst lässt sich nicht direkt in die Verhandlung hineinziehen, sondern überlässt gewissermaßen den engeren Austausch dem Verhandlungsführer. Erst bei der Ergebnissicherung sollte er aktiv werden sowie immer dann, wenn die Beziehungsebene bedroht ist.

Die Rolle des Verhandlungssteuernden sollte optimalerweise mit einer Person besetzt werden, die schon über viel Erfahrung in Verhandlungsprozessen verfügt. Sollten sich die Verhandlungen in eine Sackgasse hineinbewegen, so ist es an ihm, das Zepter in die Hand zu nehmen und sie daraus wieder herauszuführen. Er ist damit die erste Deeskalationsebene. Das ist wahrlich kein Job für Anfänger.

Ist Ihr Team so aufgestellt, agiert es wie ein Top-Fußballteam und kann auf jede auftretende Situation kontrolliert reagieren, seine Ziele weiter verfolgen und sein eigenes Verhandlungsergebnis verbessern. Wie verhandeln schließlich auch um zu gewinnen.

Wenn Sie mehr über die Aufgaben verschiedener Funktionen im Verhandlungsteam und zu Taktiken gegen Teams wissen wollen, dann finden Sie dies in den praxisorientierten Verhandlungsseminaren oder der Ausbildung zum Verhandlungsmanager des Centers for Negotiation (CfN) C4 der Quadriga Hochschule.

Der Beitrag enthält Auszüge aus meinem aktuellen Buch „Das FBI-Prinzip – Verhandlungstaktiken für Gewinner“.

© Abbildung: Thorsten Hofmann, Das FBI-Prinzip (2018).


Fotos:

  • Fußball:  kaffee, Pixabay | CC 0 Public Domain

Thorsten Hofmann, C4 Center for Negotiation

Thorsten Hofmann ist Lehrbeauftragter für wirtschaftliches und politisches Verhandlungsmanagement und Krisenkommunikation an der Quadriga Hochschule Berlin. Er leitet das C4 Center for Negotiation.

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