Skip to main content

Die Einstellung der Top-Verhandler

Die Einstellung der Top-Verhandler

Der Erfolg einer Verhandlung beruht zum Großteil auf Psychologie. Das ist so weit nichts Neues.

Als Verhandler besser zu werden ist allerdings auch ein Prozess. Dies passiert nicht von jetzt auf gleich. Der Dreh- und Angelpunkt hierbei ist unsere eigene Einstellung zum Verhandeln, also der richtige Mindset, den auch Top-Sportler einnehmen, um in ihrer Sportart immer besser zu werden.

Solch ein Mindset hat einen entscheidenden Einfluss auf Ihre zukünftigen Verhandlungsergebnisse.

Die Bedeutung der Denkweise zu verstehen, ist eine Sache. Zu wissen, wie Sie Ihre Einstellung für Verhandlungen entwickeln können, ist eine ganz andere.

Was aber unterscheidet den Amateur vom Profi?

Sechs Schritte helfen Ihnen, Ihre Einstellung zum Verhandeln zu optimieren.

  1. Treffen Sie eine Entscheidung
    Ganz gleich, ob Sie versuchen, sich eine Droge abzugewöhnen oder eine Fremdsprache zu lernen: Der erste Schritt besteht darin, dass Sie sich wirklich selbst dazu entschließen, die Entscheidung selbst zu treffen. Wenn Ihre ursprüngliche Entscheidung nur getroffen wird, um jemand anderen zu beschwichtigen oder zu befriedigen, ist es viel schwieriger, wenn nicht gar unmöglich, die gewünschten Ergebnisse zu erzielen.

    Die Frage, die Sie sich beantworten müssen: Sind Sie entschlossen, Ihren eigenen Ansatz zu ändern, um besser zu werden? Oder probieren Sie einfach etwas Neues aus, weil Sie neue Fähigkeiten entwickeln wollen, weil Sie gesehen haben, wie andere Leute gute Geschäfte machen?

    Auch wenn diese beiden Fragen ähnlich erscheinen mögen, entspringen sie nicht derselben Mentalität. Wenn Ihr Ziel wirklich darin besteht, Ihre Einstellung vor einer Verhandlung zu verbessern, müssen Sie sich bewusst dafür entscheiden, Ihre Herangehensweise zu ändern – und sich voll und ganz dafür einsetzen, dies zu tun.

  2. Fokussieren Sie Ihre Entschlossenheit
    Wenn Sie sich entschlossen haben, Ihre Einstellung zu ändern, besteht der nächste Schritt darin, Ihre Entschlossenheit zu fokussieren. Konzentrieren Sie sich darauf Ihre Verhandlungsfähigkeiten zu verbessern und setzen Sie neues Wissen ein. Vielleicht sollten Sie nicht versuchen, irgendeine einzelne Taktik anzuwenden, von der Sie schon mal gehört haben. Stattdessen lernen Sie ein richtiges System und verhandeln Sie unter Einsatz einer strukturierten Analysephase, taktischer Empathie, Deep Listening, sprachlicher Disziplin, Inflection Points, sequentiellen Aushandlungstaktiken, um Ihr eigenes Ergebnis zu verbessern.

    Es geht darum, ein klares System zu haben, welches für kooperative und konfrontative Verhandlungen geeignet ist. Und noch viel wichtiger: Das Sie es einsetzen!

    Gedanken sind billig. Taten zählen.

  3. Erwarten Sie das Unerwartete
    In Verhandlungen ist Flexibilität von großer Bedeutung. Es ist wichtig, sich bewusst zu sein, dass Verhandlungen selten linear verlaufen und dass immer unvorhergesehene Situationen auftreten können. Ein optimales Mindset für Verhandlungen beinhaltet die Fähigkeit, sich an Veränderungen anzupassen und flexible Taktiken anzuwenden. Flexibilität ermöglicht es uns, auf unerwartete Wendungen zu reagieren und kreative Lösungen zu finden, um seine eigenen Ziele zu erreichen. Je mehr Taktiken ich von der Gegenseite erkenne, desto besser kann ich Ihnen begegnen. Je voller mein Taktikkoffer ist, desto besser kann ich agieren. In der Verhandlung gilt immer: Das flexibelste Element beherrscht das System.

  4. Lassen Sie Fehler zu – und lernen daraus
    Selbst wenn Sie fest entschlossen sind, eine neue Fremdsprache zu lernen, ist es nicht möglich, sie über Nacht richtig gut zu beherrschen. Unsere Art in Verhandlungen zu sprechen ist wie unsere Muttersprache. Wenn Sie die Sprache und Rhetorik der Verhandlung lernen, werden Sie eine eigene Sprache erlernen.

    Sie werden viele Wörter vermasseln müssen, bevor Sie überhaupt die Möglichkeit haben, fließend zu sprechen. Stellen Sie sich vor, ein Nicht-Muttersprachler muss die Unterschiede zwischen „seit“ und „seid“, „das“ und „dass“, „möchten“ und „mögen“ oder „Argumentieren“ und „Diskutieren“ verstehen.

    Wenn Sie versuchen, Ihre Einstellung vor einer Verhandlung zu verbessern, müssen Sie bereit sein, Fehler zu machen, egal was passiert. Denken Sie daran, wie viele Stunden Christiano Ronaldo Fehler auf dem Bolzplatz machte, bevor er ein Weltklassespieler wurde. Oder wie viele Aufschläge Venus Williams verhauen hat, bevor sie einen der härtesten und präzisesten Aufschläge der Tennisgeschichte entwickelte.

    Auch Sie werden einiges vermasseln. Das ist völlig in Ordnung. Niemand ist auf Anhieb ein Experte für etwas Neues. Analysieren Sie jede Ihrer Verhandlungen und lernen daraus.

  5. Trainieren Sie – IMMER
    Sie müssen Fehler machen, damit Sie besser werden können. Aber Sie werden keine Fehler machen, wenn Sie nicht die notwendigen Wiederholungen machen. Wenn die Synapsen zusammen feuern, werden sie miteinander verdrahtet. Und diese Verdrahtung führt dazu, dass aus einer bewussten Kompetenz – also etwas worüber wir noch nachdenken müssen während wir es tun – eine unbewusste Kompetenz – also etwas was wir tun ohne noch darüber nachdenken zu müssen – wird.

    Eine Vielzahl von Studien1 haben gezeigt, dass wiederholtes Lernen und Wiederholen über einen längeren Zeitraum hinweg am erfolgreichsten sind, um Informationen im Gedächtnis zu behalten. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass sich das sogenannte „Spaced Repetition“
    2, bei dem das Wiederholen von Informationen in bestimmten Kontexten erfolgt, für die Verfestigung  des Verhandlungswissens besonders bewährt.

    Was heißt dies konkret für Sie?
    Nachdem Sie also beschlossen haben, Ihre Herangehensweise zu ändern, konkrete Ziele zu formulieren und sich darüber im Klaren zu sein, dass Sie dabei Fehler machen werden, ist es an der Zeit, nach Möglichkeiten zu suchen, Ihre Wiederholungen zu machen.

    Das Beste daran ist, dass Sie nicht warten müssen, bis Sie am Tisch sitzen, um Ihren neuen Ansatz zu üben. Suchen Sie nach Gelegenheiten im Alltag, Ihre Verhandlungsfähigkeiten zu trainieren. Ganz gleich, ob Sie am Wochenenden einkaufen, mit einem Mechaniker über Autoprobleme sprechen oder mit Ihrem Telefonanbieter telefonieren – es gibt immer wieder Situationen mit geringem Risiko, die Sie nutzen können, um Ihre Fähigkeiten zu erproben und Ihr Verhandlungsgeschick zu schärfen.

    Wenn Sie sich dann in einer erfolgskritischen Verhandlung wiederfinden, in der es tatsächlich um etwas geht, verfügen Sie über das mentale Muskelgedächtnis, das Sie brauchen, um das angestrebte Ergebnis zu erzielen.

  6. Bleiben Sie Neugierig
    Das Unerwartete ist ein Wesenskern der Verhandlung. Lösen Sie sich davon alles planen zu können. Machen Sie sich auf den Weg Ihre Gegenüber zu analysieren. Lernen Sie dazu die verbalen und non-verbalen Werkzeuge, kennen Sie die erfolgskritischen Taktiken und gehen Sie in Verhandlungen nicht davon aus, dass Sie wissen, was Ihr Gegenüber denkt oder vorhat. Analysieren Sie es.

    Bleiben Sie offen für alles, was sich im Feld der Verhandlungen weiterentwickelt. Lesen Sie (auch diesen Blog), besuchen Sie Ausbildungen, analysieren Sie Ihre Verhandlungen und versuchen beständig sich zu verbessern.
    Das ist der Weg zum Top-Verhandler.

Jetzt haben Sie die richtige Einstellung, die Sie an den Verhandlungstisch bringt und Ihre Verhandlungen in Zukunft erfolgreicher machen. Nun liegt es an Ihnen.

Denn: Sie bekommen nicht das, was Sie verdienen, sondern das, was Sie verhandeln.


Referenzen

  1. Carpenter S. K. (2012). Testing enhances the transfer of learning. Current Directions in Psychological Science, 21, 279-283.

  2. Carpenter, S. K., Cepeda, N. J., Rohrer, D., Kang, S. H. K., & Pashler, H. (2012). Using spacing to enhance diverse forms of learning: Review of recent research and implications for instruction. Educational Psychology Review, 24, 369–378


Bildquellen

  • Young,Confident,Business,Man,Facing,City,Going,Forward.,Man,Running: Shutterstock

Thorsten Hofmann, C4 Center for Negotiation

Thorsten Hofmann ist Lehrbeauftragter für wirtschaftliches und politisches Verhandlungsmanagement und Krisenkommunikation an der Quadriga Hochschule Berlin. Er leitet das C4 Center for Negotiation.

Weitere Artikel von Thorsten Hofmann
Zum Autorenprofil | Zum Institute C4| Zur Quadriga Hochschule Berlin