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Bots und KI: Die Zukunft der Verhandlungsführung?

Das Potential von Bots und Künstlicher Intelligenz ist groß. Ob autonome Autos oder digitale Sprachassistenten – unser Leben wird schon heute immer stärker von künstlicher Intelligenz geprägt. Besonders erfolgreich ist die Anwendung im Kundenservice. Chatbots können erfolgreich mit Kundinnen und Kunden agieren, ihre Fragen beantworten und etwaige Probleme lösen. Selbst beim Anruf der Kundenhotline kann man heute oft nicht mehr mit Sicherheit sagen, ob man am anderen Ende mit einem Menschen oder einem Social Bot zu tun hat. Der erfolgreiche Einsatz von KI in der Interaktion mit Menschen ermöglicht so immer neue Anwendungen, zum Beispiel in der Verhandlungsführung.

Die Überlegung, Bots und KI in der Verhandlungsführung einzusetzen liegt nicht fern. Wenn Maschinen alles optimieren können, warum nicht auch Verhandlungsergebnisse? Tatsächlich werden in einfachen Zusammenhängen Bots schon zu eben solchen Zwecken eingesetzt. Ebay zum Beispiel setzt auf simple Bots, die als „sniping agents“ in allerletzter Sekunde ein Angebot setzen und so die Gebote nach oben treiben.

Ein gutes Verhandlungsergebnis beruht auf zwei Elementen: Information und Kommunikation. Je mehr Informationen man über den Verhandlungsgegenstand und seinen Verhandlungspartner hat, desto besser die Ausgangslage. Ebenso entscheidend ist die Fähigkeit strategisch zu kommunizieren. Beides könnte theoretisch von Künstlicher Intelligenz geleistet werden.

Einsatz von KI Bots in Verhandlungen

Am Einsatz von KI Bots in Verhandlungen wird gegenwärtig intensiv geforscht, derweil auch mit interessanten Nebenerkenntnissen. So führte Facebook vor einiger Zeit einen Testlauf durch, bei dem zwei durch ein neurales Netzwerk gesteuerte Algorithmen miteinander verhandeln sollten. Die beiden Bots „Bob“ und „Alice“ gingen mit vordefinierten Vorlieben in die Verhandlung und der Bestrebung, ein möglichst gutes Ergebnis zu erzielen. Die Forscher legten zudem Werte dafür fest, wie wichtig den beiden Verhandlungspartnern die fiktiven Waren, in diesem Fall Hüte, Bälle und Bücher, sind. Die gegenseitigen Vorlieben waren den Bots nicht bekannt, sondern mussten im Verlauf der Verhandlung in Erfahrung gebracht werden. In der dann folgenden Verhandlung wurde das Szenario so konfiguriert, dass es für beide nicht möglich war, gleichzeitig ein optimales Ergebnis zu erreichen. Was von den Forschern jedoch vergessen wurde, war die fixe Einstellung der englischen Sprache. So begannen die Bots während der Verhandlung ihre eigene Sprachlogik zu entwickeln und sich immer weiter von Grammatikregeln und Satzbau zu entfernen. Dies führte zu Konversationsverläufen wie diesem:

Bob: „I can can I I everything else.“

Alice: „Balls have 0 to me to me to me to me to me to me to me to me to.“

Die Facebook-Forscher deuten die Wiederholung der Satzbausteine als Darstellung der Wertigkeit der individuellen Güter, konnten dies jedoch nicht eindeutig beweisen. Im weiteren Verhandlungsverlauf veränderte sich die Sprache von Bob und Alice soweit, bis sie nur noch für die beiden Bots verständlich war und das Experiment abgebrochen werden musste. Gleichwohl zeigte das Experiment, dass Bots verhältnismäßig leicht dazu trainiert werden können, die sprachlichen und logischen Muster menschlicher Verhandlungsführung zu imitieren. Dies ging so weit, dass Bots sogar logen, um einen Verhandlungsvorteil zu erreichen.

Computern das Verhandeln zu überlassen hat durchaus Vorteile

Menschen erreichen beim Verhandeln oftmals nicht die bestmögliche Einigung, während Maschinen dies optimal gelingt. Auch können Verhandlungen zwischen Computern in Sekundenschnelle erfolgen und sind damit deutlich effektiver als von Menschen geführte Verhandlungen. Auch die zukünftigen Anwendungsmöglichkeiten autonom verhandelnder Maschinen sind nahezu endlos. Das Feilschen auf Online-Marktplätzen, der Hauskauf im Internet, das Terminieren eines Geschäftsmeetings – all das kann von Bots und KI in Zukunft übernommen werden.

Die interessantesten Anwendungen ergeben sich aber dort, wo menschliches Verhandeln nicht mehr zu überzeugenden Ergebnissen führen kann. Zum Beispiel im Falle eines politischen Stillstands, bei dem die verhandelnden Parteien zerstritten sind und bei komplexen Fragestellungen keine Einigung erzielen können. Ob der Koalitionsvertrag für die nächste Regierung oder etwa das Pariser Klimaabkommen. Computer wären in der Lage die theoretische Schnittmenge der Verhandlungspartner optimal zu evaluieren und auf Grundlage dessen die bestmögliche Lösung zu ermitteln.

Die Grenzen der KI

Spätestens an diesem Punkt erreichen wird jedoch die Grenzen des Einsatzes von KI und Bots in Verhandlungen. Denn bei solch komplexen Verhandlungsgegenständen spielen insbesondere emotionale, ethische und moralische Fragen eine entscheidende Rolle. Bei politischen Entscheidungen ist das effektivste Ergebnis nicht unbedingt das, was die nötigen ethischen Voraussetzungen erfüllt. Und auch nicht unbedingt das, welche das Individualinteresse der Politikerin oder des Politikers befriedigt.

Dabei ist der emotionale und moralische Kompass in Verhandlungen eine ganz entscheidende Komponente, die menschliche Verhandlungsführung in vielen Bereichen unersetzbar macht. In der Regel haben wir keine sogenannten Single-Games, bei denen wir nur einmal mit einer Person verhandeln und nicht auf die Beziehungsebene achten müssen. In der realen Welt haben wir Repeat-Games. Wir treffen unser Verhandlungs-gegenüber wieder. Manchmal oft und regelmäßig. Dabei ist eine intakte Beziehungsebene die Grundlage für Vertrauen und damit der erfolgskritische Faktor für künftige Kooperation und Verhandlungen. Auch kann Künstliche Intelligenz keine zwischenmenschlichen Emotionen erzeugen oder Gefühle wie Angst und Freude nachempfinden.

Eine erfolgreiche Verhandlung beruht daher auch auf einer emotionalen Verbindung zwischen den Verhandlungspartnern. Soziales und kulturelles Verständnis, Empathie und die Fähigkeit, bedeutungsvolle Gespräche zu führen sind entscheidende Faktoren in jeder Verhandlung – und werden in Zukunft nur begrenzt von Maschinen übernommen werden können.


Quellen:

  • https://www.sciencemag.org/news/2017/09/how-artificial-intelligence-could-negotiate-better-deals-humans
  • https://www.fastcompany.com/90132632/ai-is-inventing-its-own-perfect-languages-should-we-let-it
  • https://www.allerin.com/blog/dont-worry-if-you-are-bad-at-negotiating-ai-bots-are-here-to-help

Bildquelle:

  • Erik Stein, Pixabay  | CC 0 Public Domain

Thorsten Hofmann, C4 Center for Negotiation

Thorsten Hofmann ist Lehrbeauftragter für wirtschaftliches und politisches Verhandlungsmanagement und Krisenkommunikation an der Quadriga Hochschule Berlin. Er leitet das C4 Center for Negotiation.

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