Bei Trump gilt: Bloß das Merkel-Schicksal vermeiden

Donald Trump wirkt oft unberechenbar – selbst für Regierungschefs. Doch seine größte Schwäche ist zugleich der Schüssel zu seiner Gunst, schreibt Verhandlungsexperte Thorsten Hofmann in seinem Gastbeitrag.
Mit der Wiederwahl Donald Trumps zum US-Präsidenten steht die Welt vor einer politischen Zeitenwende – und der nächste deutsche Bundeskanzler vor einer gewaltigen diplomatischen Herausforderung. Trump, dessen Führungsstil von Episodenhaftigkeit geprägt ist, bietet keinen verlässlichen Kurs, sondern ein Labyrinth aus kurzfristigen Entscheidungen und persönlichen Interessen.
Als Präsident war und ist Trump jemand, der nationale Interessen durch das Prisma persönlicher Beziehungen betrachtet. Diese Schwäche wird von internationalen Akteuren wie Xi Jinping oder Wladimir Putin ausgenutzt.
Ein deutscher Kanzler könnte hier ansetzen, indem er Trump das Gefühl vermittelt, er sei ein entscheidender Verbündeter in einem globalen Machtspiel, während gleichzeitig die eigenen Interessen gesichert werden.
Das Ziel sollte sein, die „Trump-Strategie“ zu verstehen: Nähe suchen, Gespräche führen und Trump regelmäßig kontaktieren. „Die einzige Strategie, die funktioniert hat, war die von Shinzo Abe“, erklärt John Bolton, Trumps ehemaliger Sicherheitsberater. Der ehemalige japanische Premierminister hielt ständigen Kontakt zu Trump, spielte Golf mit ihm und verstand, dass Sympathie die Grundlage für Einfluss ist. Ohne diese Nähe droht einem Kanzler das gleiche Schicksal wie von Angela Merkel: Sie wurde am Ende von Trumps erster Amtszeit schlicht ignoriert.
Ein Kanzler zwischen Souveränität und Pragmatismus
Die Herausforderung für den deutschen Kanzler liegt also in der Balance zwischen souveräner Distanz und pragmatischer Anpassung. Trump liebt es, zu reden – ein Kanzler muss bereit sein, ihm zuzuhören, auch wenn dies bedeutet, eigene Themen hinten anzustellen.
Dabei gilt es, die Beziehung kontinuierlich zu pflegen, selbst wenn keine akuten Anliegen vorliegen. „Einfach mal anrufen und sich über Kleinigkeiten austauschen oder sich über ihn erkundigen. Das schafft Vertrauen und bestätigt Trump auch darin, einen loyalen Partner zu haben“, empfiehlt Bolton.
Trumps Entscheidungsfindung folgt keinem strategischen Muster. Entscheidungen können sich von einem Moment auf den anderen ändern, was diplomatische Beziehungen schwierig macht. Für einen Kanzler ist es daher essenziell, schnell zu reagieren und flexibel zu bleiben.
Ein Blick auf Trumps Schwachstellen
Die Wiederwahl Trumps stellt die transatlantische Partnerschaft erneut auf die Probe. Trump hat wiederholt die Nato infrage gestellt, den Klimaschutz marginalisiert und den internationalen Handel in eine Richtung gelenkt, die Europa benachteiligte.
Ein neuer Kanzler muss nicht nur die deutsche Position verteidigen, sondern auch eine Brücke zwischen den USA und der EU schlagen. Sein ehemaliger Sicherheitsberater Bolton erinnert daran, dass Trump transaktional denkt: Deutschland könnte in Verhandlungen mit wirtschaftlichen Angeboten punkten, die Trump als persönliche Erfolge verbuchen kann.
Für einen deutschen Bundeskanzler wird es essenziell sein, Trump auf der persönlichen Ebene zu erreichen und gleichzeitig die deutschen Interessen klar zu vertreten. Die Methode, die Bolton empfiehlt, mag ungewöhnlich erscheinen, doch sie könnte der Schlüssel sein: Nähe, Sympathie und kontinuierlicher Dialog: „Man muss bereit sein, in die Beziehung zu investieren, sonst wird man ignoriert.“ In einer Welt, in der impulsive Entscheidungen die Regel sind, wird die Fähigkeit, flexibel und strategisch zu agieren, über Erfolg oder Misserfolg der deutschen Außenpolitik entscheiden.
Dieses Interview mit Verhandlungsexperte Thorsten Hofmann erschien in der „WirtschaftsWoche“ am 26.01.2025 und ist hier abzurufen.
