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Adaptoren, Mimik und NOT-Face oder wie Sie in Verhandlungen Lügner entlarven

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Wir alle werden hin und wieder belogen und jeder von uns greift auch ab und an zur Notlüge. Kleine Lügen gehören zum Alltag: Mehrmals am Tag sagen wir die Unwahrheit. Nicht jede Lüge ist dabei aus psychologischer Sicht verwerflich. Oft wollen wir unser Gegenüber schützen und Streit und Konflikte vermeiden. Fakt ist deshalb: Ohne Lügen kann unser soziales Miteinander nicht funktionieren. Es gibt jedoch Situationen, in denen Lügen nicht dem sozialen Miteinander dienen, sondern vor allem zum individuellen Nachteil des Belogenen führen.

Gerade in Verhandlungen sind Lügen und Täuschungen beständige Wegbegleiter. Jeder will das Beste für sich oder seine Organisation herausholen. Das Mittel der Täuschung erscheint dann als hilfreicher Weg dorthin. Egal, ob falsche Zahlen genannt werden, ein angeblicher Vorgesetzter ein Ergebnis nicht akzeptiert, Vorwände aufgebaut oder schlicht Informationen vorenthalten werden: die Liste der Möglichkeiten ist endlos. Wäre es daher nicht sehr hilfreich zu wissen, auf was man achten sollte, um Lügner zu entlarven?

Lügen und Täuschungen zu erkennen ist zwar nicht einfach. Aber es gibt klare Indizien, um den Lügner zu erkennen bzw. sich nicht von Täuschungen manipulieren zu lassen. Die folgenden fünf Punkte sollen Ihnen helfen, Ihre Wahrnehmungsfähigkeit für verdächtige Signale zu verbessern.

  1. Der Erkennen der Lüge

Es gibt einen entschiedenen Umstand, der beim Entlarven des Lügners hilft: Lügen ist für das Gehirn durchaus anstrengend. Lügen benötigen mehr kognitive Ressourcen und unser Gehirn mehr Energieleistung. Nicht nur die Argumente müssen nachvollziehbar und die Körpersprache passend sein, auch Mimik und Emotionen müssen stimmen. Das induziert Stress im Körper des Lügners. Vollkommen kongruentes Verhalten zwischen dem verbalen und dem non-verbalen herzustellen, überfordert selbst geübte Lügner wie Berufskriminelle und Profipokerspieler (gerade die letzte Gruppe ist im Erkennen nonverbaler Inkongruenz extrem geschult). Um Lügner zu enttarnen, sollten Sie nach Diskrepanzen und Veränderungen im Verhalten sowie Stresssignalen Ihres Verhandlungspartners suchen.

  1. Indizien für die Lügenerkennung

Hier liegt der Fokus darauf, Unstimmigkeiten im Verhalten einer Person herauszufiltern, indem man auf zwei Ebenen achtet: WAS sagt mein Gegenüber und WIE sagt es es:

WORTE:

Worte sind dabei recht leicht zu analysieren: Versprecher und inhaltliche Widersprüche sind Indikatoren für Unstimmigkeiten.

STIMME:

Schnell kann auch die eigene Stimme zum Fallstrick werden. Das Problem: Wir nehmen sie erst wahr, wenn wir etwas aussprechen, und dann kann es schon zu spät sein. Die Abweichung von der normalen Stimmlage ist daher meist ein gutes Indiz für eine emotionale Erregung des Gesprächspartners. Eine auffallend tiefe Stimmlage, aber auch plötzliches, lauteres oder schnelleres Sprechen können wichtige Indizien für Stresssymptome und somit dafür sein, dass unser Gegenüber unsicher ist – vielleicht, weil es lügt.  Diese Indizien zu erkennen – und für die eigenen Zwecke zu nutzen – ist insbesondere bei Telefonverhandlungen ausschlaggebend für den Verhandlungserfolg.

ADAPTOREN:

Unter Adaptoren versteht man sogenannte Beruhigungsgesten. Das verstärkte Pressen der Lippen, die Zunahme von Berührungen im Gesicht, das Pressen der eigenen Hände oder einzelner Finger oder auch das vermehrte Drehen eines Stiftes: Dies alles sind nonverbale Signale, um den aufkommenden Stress zu kontrollieren.

Und als wichtigstes Indiz: die MIMIK

  1. Mikroausdrücke: Wenn das Gesicht Bände spricht

Besonders viel Aufmerksamkeit sollten Sie den sogenannten Mikroausdrücken schenken. Mikroausdrücke beschreiben Ausdrücke auf unserem Gesicht, die wir nicht bewusst steuern können. Denn unser Gesicht verrät meistens mehr, als uns lieb ist. Nicht umsonst ist die sogenannte „Facial Action Coding System“ deshalb fester Bestandteil der Ermittlungstechniken (FACS, „Gesichtsbewegungs-Codierungssystem“) des FBI. Nach dem Wissenschaftler Paul Ekmans gibt es sieben Basisemotionen, die weltweit, in jeder Kultur und unabhängig der Herkunft zum Ausdruck kommen. Man unterscheidet zwischen Wut, Trauer, Angst, Verachtung, Freude, Überraschung und Ekel. In Verhandlungen jeglicher Art ist es erfolgsentscheidend, diese Mikroausdrücke zu erkennen und zu bewerten. Sie spiegeln den Gefühlszustand der Person wieder und können bereits nach einem Bruchteil von Sekunden wieder verschwinden. Für das ungeschulte Auge sind Mikroexpressionen meist schwer zu erkennen. Dabei bieten sie spannende Hinweise darüber was unser gegenüber denkt und empfindet. Denn hinter jeder mimischen Expression verbirgt sich ein „Trigger“, der diese auslöst. Dieser Trigger wird ausgelöst auf Basis einer Gewinn- oder Verlusterwartung hinsichtlich eines relevanten Themas. Also genau durch die Situation, die wir in einer Verhandlung vorliegen haben. Deshalb gehört die Ausbildung im Umgang mit dem FACS zu einer professionellen Verhandlungsausbildung dazu.

  1. Wenn ein „Ja“ ein „Nein“ ist – Das NOT-Face

Besonders beachtenswert bei diesem Punkt ist das sogenannte „NOT-Face“: Auf das „Nein-Gesicht“ stieß ein Team um den Kognitionsforscher Aleix Martinez von der Universität Ohio im Jahre 2016. Es ist die in Mimik gegossene Ablehnung einer Aussage oder Situation: Stirnrunzeln, zusammengepresste Lippen, ein leicht nach oben gezogenes Kinn. Wann immer die Testpersonen einen Satz mit dem ablehnenden Wort „not“ formulierten, zeigten sie dazu das „Nein-Gesicht“. Es handelt es sich bei diesem Ausdruck um die internationale Mimik für Nein, die in allen Sprachen funktioniert. Interessant ist, dass die Versuchseilnehmer das „Nein-Gesicht“ auch dann machten – wenn sie mit „Ja“ antworteten, aber tatsächlich „Nein“ meinten. Das neu entdeckte Not-Face ist ein weiterer Gesichtsausdruck, der Ihnen einen Hinweis auf einen Einwand bei Ihrem Gesprächspartner gibt – und dass kulturübergreifend!

Für die Studie wählten das Forschungsteam spezielle kulturelle Hintergründe aus, die verschiedene grammatikalische Ursprünge haben: Englisch, Spanisch und Mandarin. Die Frequenz, in der das Not-Face sich zeigte, betrug im Durchschnitt 5,68 Hz (ca. 170 Millisekunden). Dies liegt in der Spanne von 3 bis 8 Hz, die wir in der Sprache zur Produktion von Wortsilben nutzen. Es ist ein Hinweis darauf, dass Mimik, in diesem Fall das Not-Face, als grammatikalischer Marker (hier für eine Verneinung) genutzt wird. Das zeigt die Verbindung mimischer Signale zur Entwicklung der Sprache.

  1. ABER: Ohne Baseline sind Sie blind

So weit, so klar: Auch wenn wir schweigen, spricht unser Körper. Dies wird von professionell ausgebildeten Verhandlern genutzt, um Emotionen und Bewegungen des Verhandlungspartners sowie die dahinterliegenden Motive zu entschlüsseln oder Täuschungen zu erkennen. Dabei sind diese stets auf der Suche nach Widersprüchen, denn: Man kann seine Worte mit Bedacht wählen, man kann seine Stimme mit Übung im Zaum halten und vielleicht auch noch das Pokerface aufsetzen – aber kaum einer wird es schaffen, jederzeit alle verbalen und nonverbalen Kanäle unter Kontrolle zu halten. Irgendwann sickert irgendwo doch eine Inkongruenz durch.

Der Schlüssel zur Lügenerkennung ist also die Beobachtung. Kalibrieren Sie deshalb das Verhalten und die non-verbalen Signale Ihres Gegenübers im „lügenfreien“ Zustand. Je besser Sie die sogenannte „Baseline“ kennen, also das jeweilige „Normalverhalten“, umso leichter fällt es Ihnen später, Inkongruenzen und Abweichungen im Verhalten wahrzunehmen.

In meinem Verhandlungsbestseller „Das FBI-Prinzip erkläre ich Ihnen genauer, wie Sie mit Mikroausdrücken in Verhandlungen arbeiten. In meinen Verhandlungsseminaren zeige ich Ihnen zusätzlich Strategien, wie Sie ihre Beobachtungsfähigkeiten schärfen, die Fähigkeit, Mikroexpressionen zu erkennen, erlernen, das NOT-Face nutzen und Lügen bei ihrem Verhandlungsgegenüber entlarven.


Fotos:

  • Truth: geralt, Pixabay  | CC 0 Public Domain

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Thorsten Hofmann, C4 Center for Negotiation

Thorsten Hofmann ist Lehrbeauftragter für wirtschaftliches und politisches Verhandlungsmanagement und Krisenkommunikation an der Quadriga Hochschule Berlin. Er leitet das C4 Center for Negotiation.

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