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Wer blufft? Wer täuscht? – Mimik lesen lernen – Verhandlungen besser steuern

Netzwerk-Karriere

Im Interview verrät Thorsten Hofmann, wie Sie mit dem gezielten Erkennen von Mikroexpressionen Ihre Verhandlungen von Anfang an steuern können. 

In einem persönlichen Gespräch reichen schon wenige Millisekunden, um zu wissen: zeigt sich beim Gegenüber Freude, Überraschung, Angst, Wut, Ekel, Trauer oder Verachtung? Wer diese Signale entschlüsselt, ist einen Schritt näher dran zu wissen: Wird das ein erfolgreiches Verkaufsgespräch oder ein schneller Korb?

Was Mikroexpressionen über Ihre Gegenüber verraten

„Mikroexpressionen gehören zu den flüchtigen, körpersprachlichen Signalen“, schreibt Thorsten Hofmann, Leiter des C4 Center for Negotiation und Experte für Verhandlungsführung, in seinem neuen Buch „Der Verhandlungskompass“. Und sie sind unverfälscht und sehr aufschlussreich, denn, so Hofmann weiter: „ihre Frequenz und ihr Auftreten entziehen sich der bewussten Steuerung, was sie authentisch und aufrichtig macht“. Über 5.000 Studien weltweit zeigen, was sich hinter verschiedenen Mikroexpressionen verbirgt und dass sie kulturübergreifend gleich sind. Damit eignen sie sich wie kein anderer Bereich der nonverbalen Signale für die direkte Analyse des Verhandlungsgegenübers.

Wer verbirgt etwas? Wer blufft? Wer täuscht?

Mikroexpressionen gehören zu den mimischen Expressionen und damit zu einem der sechs nonverbalen Kommunikationskanäle. Diese Signale im Zusammenspiel – Mimik, Gestik, Augen, Stimme, Körper, Psychophysiologie – zu beobachten und in Echtzeit zu analysieren, ist entscheidend für eine präzise Verhandlungsführung und damit auch ein Gamechanger in jeder Verhandlung. Jedes Signal, das vom Normalverhalten einer Person abweicht, gibt uns einen Hinweis für die Verhandlungen, einen so genannten PIN (Points of Interest in Negotiations). Sie offenbaren das Innenleben des Gegenübers und schaffen Klarheit, welche Themen ihm wichtig sind, was verborgen werden soll oder ob man sich gerade in die falsche Richtung bewegt. Mit diesem Wissen kann der Verhandelnde souverän durch die emotionalen und manchmal unsichtbaren Klippen von Gesprächen navigieren.

Wie man Mikroexpressionen erkennen – und nutzen kann

Mikroexpressionen sind schnell und trotzdem für ein trainiertes Auge leicht zu erkennen. Der Schlüssel zum Erkennen liegt nicht in übermenschlicher Beobachtungsgabe, sondern im Training: Wer die typischen Bewegungsmuster der sieben Basisemotionen kennt und seinen Blick auf die relevanten Gesichtsregionen schärft, kann Mikroexpressionen auch in dynamischen Gesprächssituationen wahrnehmen. Die Techniken der Mimikerkennung, die z. B. in der BKA- und CIA-Vernehmungsausbildung gelehrt werden und auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen des „Facial Action Coding Systems“ (FACS) basieren, helfen, das Gegenüber zu lesen.

Mikroexpressionen sind Hinweise, keine Urteile. Sie zeigen, wo ein Gefühl sitzt – zum Beispiel Skepsis oder Neugier – und helfen, eine Gesprächsstrategie anzupassen. Ein kurzes Aufblitzen von Freude? Vielleicht ist das Angebot besser als erwartet. Ein kurzes Stirnrunzeln? Vielleicht gibt es Vorbehalte, die Sie mit einer gezielten Rückfrage auflösen können. Entscheidend ist, empathisch zu bleiben und das Gespräch nicht zu forcieren, sondern zu führen.

Expertenwissen: Thorsten Hofmann im Interview

Network Karriere: Herr Hofmann, Mikroexpressionen sind extrem flüchtig – wie kann man sie als Direktvertriebler überhaupt wahrnehmen?

Thorsten Hofmann: Das stimmt: Mikroexpressionen sind flüchtig — oft dauern sie nur 100-500 Millisekunden. Doch genau hier liegt der entscheidende Punkt: Man muss nicht „alles sehen“, sondern gezielt wissen, worauf man achten sollte.

Stellen Sie sich vor, Sie fahren auf der Autobahn von Frankfurt nach München und jemand fragt Sie nach der Ankunft: »Wie viele rote Autos sind Ihnen begegnet?« Sie werden kurz überlegen und am Ende zu keiner gesicherten Angabe kommen. Fahren Sie aber dieselbe Strecke und haben vor, sich demnächst ein rotes Auto zu kaufen, sieht die Sache anders aus. Ihr internes Filtersystem wird bewusst alle roten Fahrzeuge registrieren, die Ihnen auf der Fahrt begegnen. Ihre Antwort wird danach klar ausfallen: »Ich habe sechs Stück gesehen!«

Ein Direktvertriebler braucht also keine komplexe Ausbildung, sondern nur ein geschultes Auge für diese wiederkehrenden Muster. Schon ein kurzes Training mit praktischen Videobeispielen kann ausreichen, um in Verkaufsgesprächen Mikroexpressionen zuverlässig wahrzunehmen.

Network Karriere: Wie lässt sich dieses Wissen praktisch nutzen, ohne manipulativ zu wirken?

Thorsten Hofmann: „Es geht nicht darum, Menschen zu entlarven, sondern sie besser zu verstehen. Wenn Sie ein unbewusstes Signal wahrnehmen, reagieren Sie sensibel etwa mit der Frage: Ich habe das Gefühl, da war gerade ein kurzer Moment des Zögerns – möchten Sie mir etwas sagen? So entsteht echtes Vertrauen.“

Fazit: Hundert Millisekunden Vorsprung für den Erfolg

Wer Mikroexpressionen deuten kann, weiß schneller, wo der Haken oder der Hebel liegt. Für den Direktvertrieb bedeutet das: weniger Zeitverlust, bessere Gesprächsführung, höhere Abschlusschancen. Es geht nicht um Tricks – sondern um das bewusste Wahrnehmen von Emotionen, die ohnehin da sind. Und die – mit etwas Übung – ein Schlüssel zum erfolgreichen Gespräch werden können.

Informationen zum Buch:

Der »Verhandlungskompass« vermittelt einfach und praxistauglich, wie man PINs (Points of Interest in Negotiation) in den verschiedensten Verhandlungen zielführend einsetzt. Exklusive Videobeispiele lassen die Theorie lebendig werden. Ein 10-wöchiges interaktives Wahrnehmungstraining, zu erreichen über einen QRCode im Buch, vertieft das Wissen und sorgt dafür, dass Täuschungssignale des Gegenübers klar erkannt werden.

Das Buch basiert auf den neuesten Erkenntnissen der Verhaltenspsychologie und der Verhandlungsforschung und kombiniert sie mit echten Fallanalysen aus Krisenverhandlungen. Es bietet Instrumente und Strategien, die nicht nur wissenschaftlich fundiert sind, sondern sich auch in der Praxis bewährt haben. Es ist im Ariston Verlag erschienen.


Den vollständigen Artikel, der im Magazin Network-Karriere Ausgabe 07/2025 erschienen ist, finden Sie hier.




Thorsten Hofmann, C4 Center for Negotiation

Thorsten Hofmann ist Lehrbeauftragter für wirtschaftliches und politisches Verhandlungsmanagement und Krisenkommunikation an der Quadriga Hochschule Berlin. Er leitet das C4 Center for Negotiation.

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