Körpersprache in Verhandlungen: Einfluss, Strategien und Grenzen nonverbaler Kommunikation
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Verhandlungen bestehen nicht nur aus Worten. Die Art, wie wir stehen, blicken, gestikulieren oder unsere Stimme einsetzen, beeinflusst unser Gegenüber oft stärker als der eigentliche Inhalt unserer Aussagen. Doch welche Signale haben den größten Einfluss? Welche können wir gezielt steuern, und welche sind unbewusst? Und gibt es Situationen, in denen Körpersprache allein nicht ausreicht, um ein Verhandlungsergebnis zu verbessern?
Warum Körpersprache in Verhandlungen ein Werkzeug ist
Studien belegen, dass über 55 % der Wirkung unserer Kommunikation auf nonverbale Signale zurückzuführen sind (Mehrabian, 1971). Allerdings wird Mehrabians Studie oft missverstanden: Sie bezieht sich primär auf Situationen, in denen emotionale Botschaften vermittelt werden, nicht auf alle Kommunikationskontexte. In Verhandlungen spielen auch Argumente und inhaltliche Überzeugungskraft eine entscheidende Rolle. Eine aufrechte Haltung, offenes Gestikulieren und der richtige Blickkontakt können Vertrauen aufbauen, während verschränkte Arme oder ein ausweichender Blick Unsicherheit oder Ablehnung signalisieren.
Doch nicht alle nonverbalen Signale sind steuerbar. Während Gestik, Körperhaltung und Blickkontakt bewusst eingesetzt und trainiert werden können, sind unwillkürliche Signale wie Mikroexpressionen oder plötzliche Veränderungen der Stimmlage schwer zu kontrollieren. Ein kurzes Zucken der Augenbrauen bei Überraschung oder eine unbewusste Tonhöhenveränderung bei Unsicherheit verraten oft mehr als gewollt. Während Mimik, Gestik, Stimme und Körperhaltung bewusst eingesetzt werden können, sind sogenannte Mikroexpressionen – extrem kurze unwillkürliche Gesichtsausdrücke – schwer zu kontrollieren (Ekman & Friesen, 1975). Diese verraten oft echte Emotionen wie Unsicherheit, Überraschung oder Ärger. Wer sie lesen kann, erhält wertvolle Einblicke in die Gedanken seines Gegenübers.
Die 5 wichtigsten nonverbalen Einflussfaktoren in Verhandlungen
1. Körperhaltung: Dominanz oder Unterordnung?
Unsere Körperhaltung sendet unbewusste Statussignale. Eine offene, aufrechte Haltung wirkt selbstbewusst und dominant, während eine gebeugte Haltung oder verschränkte Arme Unsicherheit oder Abwehr signalisieren.
Studie von Amy Cuddy (2010): Menschen, die zwei Minuten lang eine sogenannte „Power-Pose“ einnahmen (aufrecht stehen, Hände in die Hüften), fühlten sich nicht nur selbstbewusster, sondern wurden auch als durchsetzungsstärker wahrgenommen. Allerdings gibt es Kritik an dieser Studie: Spätere Untersuchungen (z. B. Ranehill et al., 2015) konnten den Effekt der Power-Pose auf Verhalten und Erfolg in realen Situationen nicht bestätigen. Die psychologische Wirkung auf das eigene Empfinden bleibt jedoch umstritten.
2. Blickkontakt: Der Schlüssel zu Vertrauen und Kontrolle
Blickkontakt ist eines der mächtigsten Signale in Verhandlungen. Allerdings variiert die kulturelle Wahrnehmung erheblich: Während in westlichen Kulturen direkter Blickkontakt oft als Zeichen von Selbstbewusstsein und Ehrlichkeit gilt, wird er in einigen asiatischen oder arabischen Kulturen als respektlos oder herausfordernd empfunden. Direkter Blick vermittelt Interesse und Selbstbewusstsein, während ausweichender Blick als Unsicherheit oder Unaufrichtigkeit gedeutet werden kann.
Kommunikationsforscher Ben Decker empfiehlt, Blickkontakt für 7-10 Sekunden zu halten, um Dominanz auszustrahlen, aber nicht als bedrohlich wahrgenommen zu werden.
3. Gestik: Souveränität durch gezielte Handbewegungen
Gesten unterstreichen Ihre Worte und helfen, Überzeugungskraft zu steigern. Menschen, die mit offenen Handbewegungen sprechen, wirken vertrauenswürdiger als jene mit verkrampften oder versteckten Händen.
Studie von Beattie & Shovelton (1999): Sprecher, die sinnvolle Handgesten verwendeten, wurden als kompetenter und überzeugender wahrgenommen. Beispiele für solche Gesten sind das gezielte Unterstreichen von Argumenten mit offenen Handflächen, das rhythmische Bewegen der Hände zur Betonung wichtiger Punkte oder das Zeigen auf eine relevante Information, um die Aufmerksamkeit des Gesprächspartners zu lenken.
4. Stimme: Wie Ihr Tonfall das Ergebnis beeinflusst
Nicht nur was wir sagen, sondern wie wir es sagen, beeinflusst den Verlauf einer Verhandlung. Faktoren wie Tonlage, Sprechtempo, Betonung und Pausen spielen eine entscheidende Rolle dabei, ob eine Botschaft überzeugend oder unsicher wirkt. Eine ruhige und tiefe Stimme kann Vertrauen und Autorität ausstrahlen, während schnelles oder stockendes Sprechen Nervosität signalisiert.
Studie von Klofstad et al. (2012): Tiefe Stimmen wurden als vertrauenswürdiger und dominanter wahrgenommen. Weitere Forschungen, darunter die Studien von Apple, Streeter & Krauss (1979), zeigen, dass eine variierende Stimmlage und betonte Intonation überzeugender wirken als monotones Sprechen. Jiang & Pell (2015) fanden heraus, dass Lautstärke und Tonhöhe nicht nur Emotionen vermitteln, sondern auch das Maß an Aufmerksamkeit und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit in Gesprächen beeinflussen. Schroeder & Epley (2015) untersuchten, wie Stimmlage und Modulation die Wahrnehmung von Kompetenz beeinflussen, und zeigten, dass eine bewusst eingesetzte tiefere Stimmlage in professionellen Kontexten als durchsetzungsstärker wahrgenommen wird. Diese Erkenntnisse sind besonders relevant für Verhandlungen, da die richtige Stimmführung nicht nur das Vertrauen des Gegenübers stärkt, sondern auch die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Vorschläge und Argumente akzeptiert werden.
5. Kleidung: Die unterschätzte Macht der äußeren Erscheinung
Kleidung sendet unbewusste Statussignale und beeinflusst die Wahrnehmung unserer Kompetenz, indem sie soziale Hierarchien und Rollen kommuniziert. Studien zeigen, dass formelle Kleidung oft mit höherer Autorität, Seriosität und Entscheidungsfähigkeit assoziiert wird, während informelle Kleidung Nähe und Zugehörigkeit signalisieren kann. In Verhandlungssituationen kann die Wahl der Kleidung entscheidend sein, um Respekt zu gewinnen oder eine strategische Verbindung zum Gegenüber herzustellen.
Studie von Kraus & Mendes (2014): Ihre Forschungsergebnisse zeigen, dass Menschen in formeller Kleidung als kompetenter, selbstbewusster und vertrauenswürdiger eingeschätzt wurden. Dies liegt unter anderem daran, dass formelle Kleidung mit Autorität und Status assoziiert wird. Gleichzeitig fanden sie heraus, dass informelle Kleidung eher Zugehörigkeit und Nahbarkeit signalisieren kann, was in bestimmten Verhandlungssituationen vorteilhaft sein kann, insbesondere wenn es um den Aufbau von Vertrauen oder eine weniger hierarchische Kommunikation geht.
Wann das Werkzeug versagt
Viele mächtige Personen in Politik und Wirtschaft nutzen das Werkzeug der Körpersprache bewusst und erfolgreich in Verhandlungen. Wladimir Putin ist bekannt für einen distanzierten, kontrollierten Verhandlungsstil, bei dem er seine Körpersprache gezielt einsetzt, um Dominanz zu signalisieren. Er verwendet oft lange Pausen, minimierte Mimik und eine nach vorne gelehnter, unbewegter Haltung, um sein Gegenüber unter Druck zu setzen. Zudem wird berichtet, dass er gezielt Blickkontakt unterbricht oder bewusst hinauszögert, um Unsicherheit zu erzeugen. Diese Strategien machen ihn zu einem schwer einzuschätzenden Gesprächspartner, der nonverbale Kommunikation nutzt, um Kontrolle über den Verhandlungsverlauf zu behalten.
Allerdings hat Körpersprache auch ihre Grenzen. Der Hollywood-Produzent Brian Grazer, der für seine sogenannten „Curiosity Conversations“ bekannt ist hat dies schmerzlich erfahren als er versuchte mit Putin ins Gespräch zu kommen. Grazer führt regelmäßig Gespräche mit Menschen aus allen Bereichen, um neue Perspektiven zu gewinnen – darunter Politiker, Wissenschaftler und Künstler.
Durch Kontakte gelang es ihm, ein Treffen mit Putins Sprecher Dmitry Peskov zu arrangieren. Doch Grazer wusste nicht, dass die Einladung durch eine Fehlinformation zustande gekommen war: Der Kreml glaubte, Grazer wolle einen positiven Film über Putin drehen.
Grazer versuchte im Gespräch mit Peskov vertrauen aufzubauen und den Gatekeeper zu Putin zu überwinden.
Während des Treffens setzte Grazer deshalb seine in vielen Gesprächen bewährten Techniken ein:
- Offene Körpersprache
- Blickkontakt
- Aktives Zuhören
Doch Peskov blieb distanziert. Sobald Grazer offenbarte, dass er keinen Film über Putin plane, veränderte sich die Körpersprache von Peskov schlagartig:
- Er brach den Blickkontakt ab
- Seine Haltung wurde noch verschlossener
- Wenige Minuten später wurde das Treffen abrupt beendet
Das Beispiel zeigt: Körpersprache kann keine fundamentalen Interessenkonflikte überbrücken. Wenn es keine inhaltliche Schnittmenge gibt, hilft auch die beste nonverbale Kommunikation nicht weiter.
Körpersprache ist ein mächtiges, aber begrenztes Werkzeug
Körpersprache beeinflusst Verhandlungen auf vielen Ebenen: Sie entscheidet darüber, ob wir als dominant oder unterwürfig wahrgenommen werden, ob wir Vertrauen aufbauen oder Ablehnung erzeugen. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass wir mit bewusster Körperhaltung, Gestik, Stimme und Kleidung gezielt unsere Wirkung steuern können.
Doch sie hat klare Grenzen. Ein Beispiel dafür ist der Fall des ehemaligen griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis während der Verhandlungen mit der EU in der Finanzkrise 2015. Trotz seiner selbstbewussten Körpersprache und charismatischen Ausstrahlung gelang es ihm nicht, grundlegende politische und wirtschaftliche Differenzen zu überbrücken. Sein Auftreten wurde von einigen als konfrontativ wahrgenommen, was den Verhandlungsprozess zusätzlich erschwerte. Dies zeigt, dass selbst eine ausgeprägte nonverbale Präsenz machtlos ist, wenn die strukturellen und inhaltlichen Differenzen unüberwindbar bleiben.
Wenn es keine gemeinsame Basis gibt, reicht Körpersprache allein nicht aus, um eine Verhandlung zum Erfolg zu führen.
Erfolgreiche Verhandlungsführung ist immer eine Kombination aus:
- Nonverbaler Kompetenz
- Strukturierter Vorbereitung
- Inhaltlicher Substanz
- Taktischen und strategischem Wissen
- Analytischen zuhören und beobachten
- Permanenter Informationsgewinnung
- Kontrollierter Vorgehensweise
- Rhetorischer Flexibilität
- Psychologischen Wissen
Nutzen Sie Körpersprache als Werkzeug – aber verlassen Sie sich nicht allein darauf.
- Apple, W., Streeter, L. A., & Krauss, R. M. (1979). Effects of pitch and speech rate on personal attributions. Journal of Personality and Social Psychology, 37(5), 715-727.
- Beattie, G., & Shovelton, H. (1999). Mapping the range of information contained in spontaneous hand gestures. Journal of Language and Social Psychology, 18(4), 438-462.
- Cuddy, A. J. C., Wilmuth, C. A., & Carney, D. R. (2010). The benefit of power posing before a high-stakes social evaluation. Psychological Science, 26(5), 657-663.
- Ekman, P., & Friesen, W. V. (1975). Unmasking the Face: A Guide to Recognizing Emotions from Facial Expressions. Prentice-Hall.
- Jiang, X., & Pell, M. D. (2015). The sound of confidence and doubt. Journal of Nonverbal Behavior, 39(4), 355-369.
- Klofstad, C. A., Anderson, R. C., & Nowicki, S. (2012). Perceptions of competence, strength, and age influence voters to select leaders with lower-pitched voices. PLoS One, 7(10), e48234.
- Mehrabian, A. (1971). Silent Messages. Wadsworth Publishing.
- Ranehill, E., Dreber, A., Johannesson, M., Leiberg, S., Sul, S., & Weber, R. A. (2015). Assessing the robustness of power posing. Psychological Science, 26(5), 653-656.
- Schroeder, J., & Epley, N. (2015). The sound of intellect. Journal of Experimental Psychology, 144(1), 95-100.
LINKEDIN:
💬 Wie beeinflusst Körpersprache den Erfolg in Verhandlungen?
Verhandlungen sind weit mehr als nur Argumente und Zahlen – unsere nonverbale Kommunikation spielt eine entscheidende Rolle! Studien zeigen, dass Blickkontakt, Gestik, Stimme und Körperhaltung maßgeblich beeinflussen, wie unser Gegenüber uns wahrnimmt und auf unsere Vorschläge reagiert.
📌 Doch wie viel Einfluss hat Körpersprache wirklich?
✅ Welche Signale können wir bewusst steuern?
✅ Wo wirkt bewusste Körpersprache stärker als Worte?
✅ Und wann stößt Körpersprache an ihre Grenzen?
🔎 In meinem neuesten Blogbeitrag auf Verhandlung.blog tauche ich in die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur nonverbalen Kommunikation in Verhandlungen ein. Mit Beispielen, Studien und konkreten Tipps zeige ich, wie Sie Körpersprache gezielt einsetzen können, um Verhandlungsergebnisse zu optimieren.
📖 Ein Thema in meinem neuen Buch „Der Verhandlungskompass“, das im Mai erscheint! Darin beleuchte ich nicht nur die Rolle der Körpersprache, sondern auch die richtige Analyse von non-verbalen Verhalten und psychologischen Mechanismen für erfolgreiche Verhandlungen.
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