Interview zur Regierungsbildung in Baden-Württemberg
Im Gespräch mit dem SWR3 spricht Thorsten Hofmann über die Herausforderungen erfolgreicher Verhandlungen auf dem Weg zur Regierungsbildung.
Frage: Warum sollte sich Herr Kretschmann Zeit mit den Koalitionsverhandlungen lassen?
Thorsten Hofmann: Die beteiligten Verhandlungspartner haben ein hohes Interesse daran, in einer Koalition mitregieren zu dürfen. Deshalb beginnt dort zunächst das Verhandeln mit sich selbst und die Überlegungen dessen, was man Herrn Kretschmann, beziehungsweise den Grünen, überhaupt anbieten kann, damit man in dieser möglichen Koalition mitwirken darf.
So verhandeln sich die Parteien im Gespräch mit Kretschmann letztendlich gegenseitig herunter oder bieten gar bessere, optimierte Lösungsmöglichkeiten an. Dadurch ist Herr Kretschmann schlussendlich in der Lage, auszuwählen, welche Möglichkeit am besten passt.
Frage: Das ist aus politischer Sicht verständlich – aber was sagt man dem Grünen-Wähler, dass die Gespräche nach der Stimmabgabe so viel Zeit brauchen?
Thorsten Hofmann: Der Wähler hat seine Stimme an die Grünen abgegeben und erwartet nun dementsprechend, dass die Punkte des Wahlprogramms so viel wie möglich umgesetzt werden. Dabei wird man sich anschauen, in welcher Konstellation man für seine Wähler am meisten herausholen kann und die dem eigenen Wähler versprochenen Punkte umsetzen kann.
Frage: Sie haben früher als BKA-Ermittler gearbeitet, heute beraten Sie Unternehmen und Politiker bei Verhandlungen. Welche Parallelen gibt es dabei?
Thorsten Hofmann: Bei jeder Verhandlung ist eine Grundkonstellation vorhanden, die immer gilt: Es gibt mindestens zwei Parteien mit einem Verhandlungsgegenstand. In diesem Fall sind es Koalitionsverhandlungen mit Regierungsinhalten. Früher waren das vielleicht eher Geld oder Informationen. Das sind alles unterschiedliche Formen von Interessen, Positionen und Forderungen, die verhandelt werden. Jedoch haben beide Parteien ein gemeinschaftliches Ziel: Sie wollen zu einer Lösung kommen. Daraus entsteht eine gewisse Abhängigkeit, die sowohl Fluch als auch Segen für die Verhandlungen ist. Und sie führt zusätzlich auch zu Emotionen. Allerdings sorgt die Abhängigkeit erst dafür, dass man miteinander spricht. Könnte man Dinge allein entscheiden, würde man die jeweilige Verhandlung gar nicht brauchen.
Frage: Das Beispiel der jüngsten Verhandlungen von Angela Merkel und den Ministerpräsidenten hat jedoch auch gezeigt, dass zu lange Verhandlungen die Situation auch nicht besser machen.
Thorsten Hofmann: „Es ist nicht hilfreich, dass diese Runden zu Ermüdungsverhandlungen werden. Es ist natürlich keine Form der Verhandlung, wie man sie führen sollte. Aber es ist doch eine häufige Form, die man häufig im politischen Kontext vorfindet. Dabei wird über Nacht verhandelt und Ergebnisse herausgearbeitet, die jedoch eher darauf basieren, wer „zuerst mit dem Kopf auf dem Tisch aufgeschlagen ist“, sprich, wer als erstes physisch übermüdet ist.
Dieses Interview ist am 27. März 2021 im Programm des SWR3 erschienen.